taz-Zukunft-betr.: "Eine große Zukunft für die taz oder keine", taz vom 28.10.91

betr.: „Eine große Zukunft für die taz oder keine“, taz vom 28.10.91

Georgia Tornows Abschiedsworte (taz vom 25.10.91) sprechen für sich: taz solle „normal werden“, mit „klarer Hierarchie“ und brauche „Kapitalausstattung“; dazu im Chefton: „ich empfehle... schärfstens“, man solle „...zwingen“, und so weiter. Sprechen verächtlich von „alternativen StellungskriegerInnen“ und bringen kapitalistische Philosophie auf ihren primitivsten Nenner: „Zeit und Geld, beides sind knapp.“

Der Internkrieg zermürbt: Grünes Licht für finanzkräftige Investoren? Fremdkapital? Zeitung mit Autobeilage? Dazwischen bescheidene Stimmen, die „reformierte Selbstverwaltung“, ein „Genossenschaftsmodell“ vorschlagen und sogar tapfer von „unserer Unabhängigkeit, dem höchsten Gut“ sprechen.

In archaischen Vorzeiten voller Träume und Utopien reiste einst das Gründergrüppchen nach Paris, um bei 'Libération‘ abzugucken. Jahre später, als diese schon im Umkippen war, sagte mir einer ihrer Redakteure, überzeugt: „'Libération‘ muß endlich eine normale Zeitung werden!“ Das fette, korrupte Ergebnis (Golfkrieg: einseitige Anzeigen für Kriegsmaterial!) kennen wir. Vorbildliche Entwicklung für die taz?!

Ich hoffe, noch ist die taz nicht verloren. Wir brauchen keine Serge- July-taz. Die gibt's schon weltweit. Ja, sammelt bei kleinen Anteilnehmern — oder macht zu. Nur eines nicht, bitte: werdet nie eine normale Zeitung.

Und propagiert nur nicht — wie schon zwischen den Zeilen —, daß die „besten“ RedakteurInnen gehen! Was heißt denn das? Die gehen, haben ihre ganz individuellen Gründe oder folgen dem nicht sehr originellen Tornow-Trend. Es bleiben die, die von einer anderen Auffassung von Journalismus träumen. Statt sich nur in Zeit und Geld zu verheddern. Ist das wirklich so lächerlich, ihr armen Normalen? Dagmar Brocksin,

Frankreich/Berlin

Ich kenne die taz schon seit Jahren. Abonniert habe ich sie, weil sie die andere Tageszeitung ist. In der taz finde ich Themen behandelt, ausführlicher behandelt als anderswo. Das unterscheidet Euch von anderen Tageszeitungen. Und trotzdem wollt Ihr Euch auf dem Zeitschriftenmarkt etablieren. Ich stelle seit einiger Zeit und mit Bedauern Veränderungen bei Euch fest, die alle daraufhin deuten, daß Ihr auf dem Zeitschriftenmarkt anerkannt werden wollt und Euch anpaßt. Leider.

Angefangen hat es für mich mit der Abschaffung der Frauenseite. Euer Argument, daß eine solche Seite nicht mehr nötig sei, weil die Behandlung der Frauenthemen in der taz erfolge, habt Ihr nicht eingelöst. Davon abgesehen, daß Ihr viel zu wenig über frauenrelevante Themen berichtet, fehlen längere Hintergrundberichte über Frauen nun fast ganz. [...]

Ein zweiter Hinweis auf Eure Veränderung in die falsche Richtung sehe ich in der Veränderung des Layouts und der Gestaltung der taz. [...] Ihr feilt an Äußerem aus Mangel(?) der Besinnung auf den Wert der taz als die andere Zeitung. [...] Bitte besinnt Euch auf den Ursprung der taz. [...]

Die jüngste Diskussion um die Angliederung der taz an einen Verleger — den Verkauf der taz — halte ich für fehlgeleitet. Am Schluß möchte ich mich dem Leser anschließen, der in seinem Leserbrief klar machte, daß Ihr Euch an uns wenden sollt und könnt. Auch das macht das Andere der taz aus. Das gilt für Inhalte, das gilt auch für Geldsorgen. [...] Claudia Martin, Mannheim

Wie man hört, will die taz den Rotstift bei den Regionalredaktionen ansetzen, insbesondere soll auch die Hannoversche Redaktion gestrichen werden. Lesenswert ist die taz jedoch ausschließlich wegen der selbstrecherchierten Artikel, insbesondere aus dem Ausland und in Deutschland vom flachen Land. Eure Umsetzungen von Tickermeldungen und insbesondere Eure Seite 1 sind nicht konkurrenzfähig mit anderen Zeitungen. Warum befragt Ihr nicht die Leser um ihre Meinung? Streichungen bei den Regionalredaktionen scheinen mir jedenfalls der falsche Weg. Dr.Herbert Breger, Hannover