Schleswig-Holstein bleibt stur

■ Sozialminister Jansen ist gegen ein Bleiberecht für die Flüchtlinge aus Greifswald/ Polizeieinsatz wird nicht mehr ausgeschlossen/ Unterstützerin fordert: „Beenden Sie diese Schmutzkampagne!“

Norderstedt (taz) — Die schleswig- holsteinische SPD-Landesregierung bleibt gegenüber den in die Norderstedter Shalom-Kirche geflohenen Asylbewerbern hart und unversöhnlich. Gestern forderte Sozialminister Günther Jansen erneut, daß die Flüchtlinge nach Greifswald zurückkehren sollen. Dort waren sie am Sonntag von mehreren hundert Hooligans angegriffen worden und in der Nacht zum Montag von autonomen UnterstützerInnen in Autos zunächst nach Neumünster und dann nach Norderstedt gebracht worden.

Jansen gesteht ihnen nach wie vor kein Bleiberecht im nördlichsten Bundesland zu. Auch Landeschef Björn Engholm sprach sich jüngst dafür aus, die Asylbewerber sollten wieder zurück nach Greifswald. Zuständig für die etwa 50köpfige Gruppe ist nach Darstellung von Günther Jansen Mecklenburg-Vorpommern. Bei einem formellen Amtshilfeersuchen aus Schwerin könne sogar schleswig-holsteinische Polizei eingesetzt werden, um die Flüchtlinge von Norderstedt nach Greifswald zurückzutransportieren. Jansen sagte wörtlich: „Daß sich Asylbewerber aussuchen, wo sie wohnen und das Verfahren betreiben wollen, läuft nicht.“ Undenkbar sei jedoch ein Polizeieinsatz in der Shalom-Kirche. Bereits vorgestern hatte Ministerpräsident Björn Enholm außerdem erklärt, das Asylprüfungsverfahren könne allein im ostdeutschen Bundesland eingeleitet werden. Vorgesehener Termin ist der kommende Montag. Wer bis dahin nicht in Mecklenburg-Vorpommern sei, müsse die Konsequenzen tragen.

Auf diesen Zeitpunkt ist auch ein Ultimatum abgestimmt, das der Kirchenvorstand der Shalom-Gemeinde am späten Mittwoch abend formulierte hatte. Danach wird den Asylbewerbern nur noch bis Sonntag mittag in der Kirche Unterschlupf gewährt. Bis dahin biete man Gesprächsbereitschaft, Unterkunft, Verpflegung und Betreuung. Kirchenvorsteher Jürgen Knaack sagte: „Mehr können wir nicht leisten.“

Doch vollends befindet sich der Norderstedter Kirchenvorstand nicht auf der Linie der schleswig- holsteinischen Landesregierung. Er schlug vor: Unterbringung der Asylbewerber in Schleswig-Holstein, Durchführung der Asylverfahren in Mecklenburg-Vorpommern mit sicherem Geleit. Man forderte alle Beteiligten auf, sich diesem Kompromiß zu öffnen und ihn bis Sonntag umzusetzen. Aber Günther Jansen und sein Staatssekretär Claus Möller, der Synodaler der Nordelbischen evangelisch-lutherischen Kirche ist, reagierten nicht auf den Kirchenvorschlag. Sie beharrten nach wie vor auf ihren Rechtspositionen, die sie bereits während der sechswöchigen Neumünsteraner Kirchenbesetzung der Flüchtlingsgruppe eingenommen hatten: Kein Platz in Schlewig-Holstein! Möller betonte darüber hinaus, daß die Asylbewerber mit ihrer Weigerung gegen Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes verstießen, was strafrechtliche Konsequenzen haben könne.

Sprecher der Flüchtlinge mochten sich zum Kompromißvorschlag des Kirchenvorstandes gestern während einer Pressekonferenz in der Shalom-Kirche nicht äußern. Sie erklärten lediglich, es werde auch mit Polizeigewalt nicht gelingen, sie zurück nach Greifswald zu bringen. Eine Unterbringung in einem der fünf ostdeutschen Länder komme für sie nach den Greifswalder Erfahrungen nicht in Frage.

Unbeeindruckt von der Weigerung der Flüchtlinge will Jansen am Montag mit dem Schweriner Innenminister Georg Diederich (CDU) darüber konferieren, wie mit den Asylbewerbern weiter verfahren werden soll. Gestern übernahm Jansen Einschätzungen des ostdeutschen CDU-Politikers, nach denen die Flüchtlinge von autonomen UnterstützerInnen für deren politische Zwecke mißbraucht würden. Darüber hinaus warf er dem Bundesvorstandsmitglied der Grünen, Angelika Beer aus Neumünster, vor, auch sie instrumentalisiere die Flüchtlinge für ihre Politik.

Angelika Beer, die seit der sechswöchigen Neumünsteraner Kirchenbesetzung zur Unterstützergruppe zählt, wies die „Diffamierungs- und Kriminalisierungsversuche der Landesregierung“ entschieden zurück. Sie forderte die SPD-Regierung auf, sich endlich der Verantwortung für die herumgeschubsten Menschen zu stellen. In einem Appell an Björn Engholm schrieb sie weiter: „Beenden Sie die Schmutzkampagne gegen die Grünen und die UnterstützerInnen der Flüchtlinge. Bedienen Sie sich nicht weiter der gleichen Machenschaften, wie wir in Schleswig- Holstein sie bisher nur aus der Barschel-Ära kennen.“ Jürgen Oetting