Wie der reiche Westen die armen Länder einkauft

■ Die Wirtschaftsöffnungspolitik hat zu Produktionsrückgang, Preissteigerungen und einer größeren Kluft zwischen Arm und Reich geführt

Berlin (taz) — Was den osteuropäischen Staaten heute als Ausverkauf droht, haben die Länder der Dritten Welt schon seit 15 Jahren bitter miterleben müssen. Mit einer Politik der Wirtschaftsöffnung räumten die armen Nationen der Privatwirtschaft einen großen Spielraum an ihrem ökonomischen Entwicklungsprozeß ein. Damit hofften sie, einen Ausweg aus der Krise zu finden. Es wurde darauf abgezielt, ausländischen Unternehmen Kapitalinvestitionen im Land zu ermöglichen. Dadurch wurden die reichen Industrienationen in die Lage versetzt, über Kredite und Firmengründungen in das große Geschäft einzusteigen.

Mit einem steigender Technologieimport und der Notwendigkeit der einheimischen Wirtschaft, sich der ausländischen Erfahrungen zu bedienen, sollte der Entwicklungsprozeß beschleunigt werden. Man erhoffte sich eine Stärkung des Landes und eine Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung. Zur Steigerung der wirtschaftlichen Aktivitäten war jedoch erforderlich, den ausländischen Investoren Privilegien wie etwa Steuervergünstigungen und Zollbefreiungen einräumen. Das führte jedoch zu negativen Auswirkungen auf die inländische Ökonomie. Da den einheimischen Firmen Vergünstigungen nicht zuteil wurden und sie Rohstoffe, Maschinen und Ersatzteile nicht unverzollt importieren konnten, wurden viele von ihnen in die Krise getrieben und mußten letztlich Konkurs anmelden.

Im Bereich staatlicher Unternehmen zog diese Politik den Negativeffekt nach sich, daß erfahrene Direktoren, Verwaltungsangestellte, die besten Fachkräfte und Arbeiter zu ausländischen Firmen wechselten, die ihnen weit bessere Verdienstmöglichkeiten boten. Dies bedeutete einen großer Verlust für die eigene Wirtschaft, während ausländische Unternehmen von den Erfahrungen der einheimischen Spitzenkräften profitierten.

Die derzeitige staatliche Wirtschaftspolitik, die ausländischen Firmen zeitlich begrenzte Steuer- und Zollbefreiungen bringt, schlägt nicht durch. Sie wird von ausländischen Investoren auf simple Art ausgenutzt, die einer Steuerhinterziehung gleichkommt: Das Unternehmen wird am Ende der eingeräumten Steuer- und Zollbefreiung kurzerhand aufgelöst und unter einem anderen Namen neu gegründet, um weiterhin in den Genuß der Privilegien zu kommen.

Für die Dritte-Welt-Länder waren Investitionen in erster Linie im produktiven Sektor, der Agrarwirtschaft und Industrie notwendig, da der Entwicklung dieser Bereiche unbedingte Priorität für die Gesellschaft eingeräumt wurden. Demgegenüber wird dem Handelssektor lediglich eine untergeordnete Rolle beigemessen, da der Handel nur als Vermittler zwischen ausländischen Importeuren und den einheimischen Konsumenten fungierte. Diese Wirtschaftspolitik erwies sich als wenig sinnvoll: Die eigene Privatwirtschaft entwickelte sich in eine ungewollte Richtung, da sie sich in erster Linie an der Handelssektortätigkeit orientierte.

Somit hat die Politik der Wirtschaftsöffnung zu einschneidenden Veränderungen der Gesellschaftsstrukturen in den Ländern der Dritten Welt geführt. Sie ist verantwortlich für den Rückgang der eigenen Industrie- und Agrarproduktion, für die immensen Preissteigerungen sowie — bedingt durch die gravierenden Einkommensunterschiede — für eine immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich. Mohamed Osman