„An jeder Ecke steht ein Zivilpolizist rum“

■ Eindrücke aus Bingöl, Herkunft vieler Bremer Asylbewerber in türkisch Kurdistan / „Es wird nicht offen geredet“

Thomas Stapke ist Mitarbeiter der „Kurdischen solidarischen Hilfe“. Er war vor kurzem in Bingöl, einer kleinen Stadt in türkisch Kurdistan, woher viele der in Bremen lebenden Kurden kommen.

taz: Dein Eindruck von Bingöl?

Thomas Stapke: Es ist ein besetztes Land: In jedem kleinen Dorf ist eine Militärstation. Ich wurde bei meiner Ankunft in Bingöl auch gleich kontrolliert und einem bestimmten Hotel zugewiesen. In Istanbul wurde ich oft gefragt, was ich dort will — dort gebe es doch nichts zu sehen und es herrsche auch nur Terror dort. Dabei wollten die Türken aber auch nicht zeigen, was dort geschieht, daß ein Nato- Staat dieses Gebiet militärisch besetzt hält.

Hattest Du Kontakt zu politischen Leuten?

Nein. Ein Freund aus Bingöl hatte mir auch abgeraten, nachdem seine Frau von einem Besuch zurückkam. Es sei zu gefährlich im Moment. Besonders für die Leute. In Bingöl selbst habe ich, im Gegensatz zu den anderen Orten, dann auch kaum Kontakt bekommen. Die Menschen sind sehr zurückhaltend, haben

hier bitte das

Foto mit der

Ampel

Bingöls einzige Ampel

Angst vor Bespitzelung und haben mit angeblichen Touristen auch schlechte Erfahrungen gemacht. Man hatte auch nicht das Gefühl, daß offen gesprochen werden kann. An jeder Ecke standen Zivilpolizisten rum.

Was hast Du denn vorgefunden von dem, was Du aus Erzählungen kanntest?

Die Ausweglosigkeit, die in diesem Land herrscht. Da spielen wirtschaftliche und politische Gründe eine Rolle. Die Landwirtschaft geht immer mehr zugrunde. Die Familien können sich davon nicht mehr ernähren. Selbst in der Stadt Bingöl gibt es nur eine Fabrik mit 30 Arbeitsplätzen — und statt einer neuen Fabrik wird nur eine riesige Moschee gebaut. Aber jede Veränderung, die sie versuchen, wird als Angriff der separatistischen Bewegung auf den türkischen Staat gewertet.

Wie hast Du die Militärbesatzung erlebt?

Allein durch die drei Kasernen in Bingöl. Aber auch durch die Straßen-Kontrollen: dreimal auf den 150 Kilometern zwischen Bingöl und Diyarbakir, mit Maschinenpistolen, mit dicken Namens-Listen. Fragen: ra