■ DIE PREDIGTKRITIK (EVANGELISCH)
: Vom Kommen des Gottesreiches

Als Kirchenunkundiger habe ich mir zunächst jemanden gesucht, der mir hilft, hinter die Geheimnisse eines evangelischen Gottesdienstes zu steigen. Schon die Vorbereitungsphase gestaltete sich anders, als ich annahm. Wir haben uns zuerst die 'Potsdamer Kirche‘ gegriffen, Spötter sagen auch protestantisches Kirchenblättchen dazu, und die Liste der Gottesdienste durchgesehen, um einen Pfarrer zu finden, von dem die Kenner sagen, der ist gut. Die Wahl fiel auf Pfarrer Schalinski von der Pfingstkirche. Pünktlich um 10 Uhr zum Klingelzeichen trafen wir ein. Die Schäfchen der Gemeinde tauschten noch schnell, wie etwa zum Beginn einer Schulstunde, die letzten Neuigkeiten aus. Viel Zeit hatten sie nicht mehr, denn schon ertönte die Orgel, das Zeichen zum Beginn. Ich hatte Glück und durfte bei meinem erst dritten Gottesdienstbesuch eine Kindstaufe miterleben, die aus dem unmündigen Kind immerhin erst mal einen Christen macht. Dem kleinen Mädchen schien die Sache aber nicht ganz geheuer zu sein, denn es versuchte, zur Erheiterung aller Anwesenden, zu entkommen. Nach etwas aufbauender Musik folgte die Predigt. Wir hörten heute Vom Kommen des Gottesreichs. Mit einer schön getragenen Stimme trug uns Herr Schalinski diese Bibelstelle vor. »Da er aber gefragt ward von den Pharisäern: Wann kommt das Reich Gottes? antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, daß man's mit Augen sehen kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier! oder: da! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.« Das wird uns auch noch erklärt. Wenn Friede zwischen den Völkern herrscht, wenn ein Christ uneigennützig einem Menschen hilft, dann ist das Reich Gottes unter uns. Aber auch, und das fand ich gut, die, die nicht an den Herrn glauben, vollbringen gute Taten, setzen sich, ohne auf Geld zu achten, für die Umwelt ein, helfen Bedürftigen. Seinen Gemeindemitgliedern gibt er noch Ratschläge mit auf den Weg. Sie sollen nicht auf das Reich Gottes warten, sie sollen selber tätig werden, aber auch nicht sagen, alles ist machbar, denn wenn das so wäre, und das ist mein Zusatz, bräuchte man keinen Gott mehr. Nach dieser auch für mich als Nichtchristen versöhnenden Predigt erklang nochmals die Orgel, bevor dann alle aufgerufen wurden, auch ja zu dem bevorstehenden Arbeitseinsatz auf dem Kirchengelände zu erscheinen. Wahrscheinlich sind doch nicht alle Schäfchen so lieb, daß sie von selbst erscheinen. Steffen Weber