Für das Autofahren eine Ausrede

■ Seit elf Tagen läuft die Greenpeace-Aktion »Mein Auto ist freiwillig stillgelegt«/ Unrepräsentative taz-Umfrage zeigt: Teilnehmer wollen Zeichen setzen, aber auf das eigene Auto nicht verzichten

Berlin. Seit elf Tagen lassen 270 Berliner (davon 40 aus dem Ostteil) ihr Auto freiwillig stehen. Sie wollen zusammen mit bundesweit insgesamt 5.300 Autofahrern zeigen, daß »es auch ohne Auto geht«. Die Aktion »Auto freiwillig stillgelegt«, die von »Greenpeace« organisiert wird, dauert 30 Tage bis Ende November. Die taz fragte Teilnehmer, ob es bei Ihnen auch danach ohne Auto geht.

Uwe Marschall (32), selbstständig, Kind (4): Mir fehlt das Auto nicht. Aber in meiner Famile ist die Aktion »Freiwillig stillgelegt« umstritten, weil wir schon vorher mit dem Wagen nur größere Strecken fuhren oder schwere Lasten transportierten. Allerdings kaufen wir jetzt öfter ein als einmal pro Woche, denn dann müssen wir nicht soviel auf einmal tragen. Bei einigen Nachbarn bin ich als »Spinner« verrufen — nicht nur weil ich mein Auto jetzt stehen lasse, sondern weil ich mich auch schon vor der Wende für die Verkehrsberuhigung unserer Straße eingesetzt habe. »Car Sharing« ist in meiner Familie und bei meinen Freunden umstritten. Dabei könnte man das jetzt besonders gut überlegen, weil ein Teil meiner Freunde sich erst ein Auto anschaffen will.

Hannelore Radmacher (44), Erzieherin, drei Kinder, alleinerziehend: Ich habe vor der Aktion mein Auto nur sehr wenig benutzt. Ich brauche es nur, um von Lichterfelde nach Britz in den Schrebergarten zu kommen. Dieses Jahr habe ich mit meinen Kindern 100 Kilo Birnen und 120 Kilo Äpfel geerntet — das hätten wir nicht mit Bus und Bahn transportieren können. Die Fahrten zur Kolonie sind schlecht im voraus zu planen, denn wenn es zum Beispiel drei Tage nicht geregnet hat, müssen wir hin. Deshalb wäre es sehr schwer, das Auto mit jemandem zu teilen. Meine Freunde machen bei der Greenpeace-Aktion nicht mit. Jeder hat eine kleine Ausrede, warum er ein eigenes Auto braucht — so wie ich.

Joachim Hentschke (31), Revisor, Tochter (14 Monate): Ich hatte bis jetzt sowieso eine BVG-Karte, das Auto habe ich nur ab und zu benutzt, aus reiner Bequemlichkeit bin ich damit zur Arbeit gefahren. Mit meiner Familie brauche ich es nur, um im Sommer ins Umland und in den Urlaub zu fahren. Ob es billiger wäre, dafür einen Wagen zu leihen, als einen eigenen Pkw zu besitzen, haben wir noch nicht überlegt. »Stadtauto« hat in Gropiusstadt jedenfalls noch keinen Stützpunkt. Einkaufen ist für uns kein Problem, weil wir schwere Dinge mit dem Kinderwagen transportieren können. Mit der Kinderkarre kann man allerdings nur schlecht in BVG-Bussen mitfahren, wegen der Stufen und weil es eng ist.

Gabriele Hoffmann (43), Sozialarbeiterin, achtjährige Tochter: Ich werde mein Auto nach der Aktion nicht verkaufen. Meine alltäglichen Wege bewältige ich zu Fuß, aber ein bis zwei Mal im Jahr fahre ich zu meinen Verwandten in Polen. Für die zwei Fahrten wäre ein Leihwagen keine Alternative. Aufs Autofahren ganz zu verzichten, würde ich mir aber überlegen, wenn ich mir ein neues Auto anschaffen müßte. Mit der Aktion »Freiwillig stillgelegt« will ich ein Zeichen setzen. Ich rede mit vielen Leuten darüber, wie man ein Auto sinnvoll nutzen sollte. Ein Nachbar erzählte, es würde einem Auto schaden, wenn es einen Monat lang herumsteht. »Car Sharing« ist für mich nicht möglich, weil meine Freunde alle verstreut wohnen. Dirk Wildt