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Verwirrung um einen Kardinalfehler

■ Verheiratete Priester und Frauen am Altar: Berlins katholischer Bischof Sterzinsky hat es wohl gesagt, aber eigentlich gar nicht so gemeint

Berlin. Rätselraten unter Berliner Katholiken: Ist ihr Oberhirte, Kardinal Georg Sterzinsky, ein heimlicher Progressiver? Letzte Woche Donnerstag hatte es so ausgesehen, als Sterzinsky von der 'Berliner Morgenpost‘ mit dem Vorschlag zitiert wurde, über die Ehelosigkeit von Priestern und die Öffnung des Priesterberufs für Frauen öffentlich nachzudenken. Aufgeschreckt vom nationalen und internationalen Echo auf seine »mutigen Äußerungen« (MoPo), machte der Berliner Bischof allerdings einen halben Rückzieher. Zwar seien seine Aussagen »theoretisch richtig« wiedergegeben, aber aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch verfälscht wiedergegeben worden. In einer vierseitigen Erklärung ließ er wissen, er sei »für die Beibehaltung des Zölibats«, weil dies eine sinnvolle Lebensform für Priester sei.

Während unter einigen Katholiken von einer »bewußten Lancierung« der bischöflichen Vorschläge gesprochen wird, schätzen andere den Kardinalfehler als »Betriebsunfall« ein. »Der Bischof hat eben Schwierigkeiten mit der Presse insgesamt«, sagt Josef Grünwald von der Gruppe »Kritische Katholiken«. Außerdem habe sich Sterzinsky nicht gegen den Zölibat und für Frauen am Altar ausgesprochen, sondern nur eine Diskussion dieser Themen in der Kirche angeregt. Auch Brigitte Loga von der »Initiative Kirche von unten« kommt mit den Äußerungen Sterzinskys nicht mehr mit: »Mir ist nicht klar, wie das zustande gekommen ist, und ich glaube noch nicht richtig daran«, sagt sie, »obwohl ja eigentlich kein vernünftiger Mensch etwas anderes sagen kann.«

Sterzinsky, der als konservativer Theologe gilt, habe sich sicher nicht bewußt profilieren wollen, heißt es in Kirchenkreisen. Die weiten Kreise, die sein lautes Nachdenken trotzdem gezogen hat — der Rottenburger Bischof Kasper nannte verheiratete Priester eine »Bereicherung«, die Bischofskonferenzen in Frankreich, Österreich und den USA beschäftigten sich damit —, sind nur mit großem Diskussionsbedarf in der römischen Kirche zu erklären. Theologisch waren Sterzinskys Äußerungen nämlich alte Hüte: So gab es in der Urkirche verheiratete Priester (der Zölibat wurde im Mittelalter eingeführt, als die Erbstreitigkeiten unter Bischofskindern überhand nahmen), und auch eine dogmatische Begründung gegen Frauen als Priester hat es nie gegeben.

Der Berliner Bischof muß sich allerdings an seinen Taten, nicht an seinen Worten messen lassen. Unter anderem forderte er, in der Kirche Probleme nicht mit Dogmen, sondern durch Gespräche zu lösen. Seinen kritischen Jugendverband BDKJ stellt er allerdings im Moment gerade kalt: die Jugendlichen beschweren sich, es habe nie ein echtes Gespräch gegeben. Bernhard Pötter

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