Besetzt Golfplätze statt Häuser!

■ Ungeahnte Revoluzzer-Möglichkeiten bei der ersten Golfmesse „Golf World“ in Düsseldorf

Ein alter Mann (Fachverkäufer) humpelt zu einem anderen, eher noch älteren Mann (Besucher) und halftert ihm unter erheblichen körperlichen Mühen eine Art Schultergeschirr um. Daran ist, Brustbein abwärts, eine dicke Metallstange befestigt, die über ein Gelenk weiter unten in einen veritablen Golfschläger übergeht. „Swing Trainer“ heißt die schauderliche, vorsintflutlich wirkende Gerätekonstruktion, die zum richtigen Schwung zwingen soll. Der alte Mann schwingt und verzieht das Gesicht: Erwischt — Schmerzen als Strafe für die falsche Bewegung.

Auch andere Beschicker der „Golf World“ vom Wochenende in Düsseldorf, der ersten deutschen Golfmesse, präsentieren ungeahnte Peinlichkeiten: Die verrücktesten Hilfsgeräte für viel Geld und mit viel Tech. Oder der handliche Koffer mit dem Heimabschlag auf Kunstfilz und einem Ball an der Gummileine (Werbung: Raumbedarf nur drei Quadratmeter), der allen Ernstes überall hin mitgenommen werden soll — ein Video zeigt in bester Realsatire einen hilflos ungelenken Chef damit herumhampeln, während seine Sekretärin seine Briefe tippt. Clip 2 zeigt einen Knaben, der den Ball an der Leine knüppelt, während die Eltern traut am Kaminfeuer plaudern. Woanders gibt's den neuen Golf-Wein, Golf-Edelschmuck, Golfbälle in der edlen Champagnerflasche, eine Firma, die nur Golf-Schirme ausstellt, Golf-Weltreisen, Golf-Immobilien, und alles, was man sich an Devotionalien-Humbug nicht vorzustellen gewagt hat. Die Golf-Industrie setzt hierzulande 100 Millionen Mark im Jahr um. Golf: Sport? Aber sicher. Golf ist ein wunderbarer Sport. Dies ist — bitte sehr! — in keiner Weise ironisch gemeint. Golf ist eben kein Sport für alte Männer mit dicken Bäuchen, nicht automatisch ein Sport für die oberen Zehntausend und nicht unsagbar teuer. Golf ist ein bisweilen grandioses Freizeitvergnügen, ein langer Spaziergang (bis 10 Kilometer pro 18-Loch-Runde) in oft totaler Ruhe und tollster Umgebung mit ungeheuren Anforderungen an Konzentration, Technik (jeder nach seinen Möglichkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen — Golfers Gruß an Kalle Marx), an Willensschulung, Körperbeherrschung und Intuition. Mit untauglichen Geräten einen viel zu kleinen Ball in ein viel zu weit entferntes viel zu kleines Loch zu treiben, wie Spötter sagen, kann der leibesüblerische Thrill schlechthin sein.

Wenn nur, wenn ... Wenn wir hierzulande eine Golfszenerie hätten wie in den angelsächsischen Ländern. Denn was wir als das Klischee Golf kennen, ist Golf made in Germany mit seinen Feudalclubs, den ekelerregenden Gestalten, die mit ihrer Etikette kokettieren und versuchen, sich mit horrenden Beiträgen in ihrem Geschäftsleuteghetto einzuigeln und über Kritiker, diese „sogenannten Umweltschützer“ (Golfpräsident), die feine Nase rümpfen.

Dabei geht es anders und die dogmatische ökologische Rechnung der Kritiker geht nicht immer auf. Es gibt selbst hierzulande längst Golfplätze, die nach tierkundlichen und umweltbewußten Gesichtspunkten aufgebaut wurden und bei denen der Chemieeinsatz auf ein Minimum beschränkt wird — immer noch erheblich weniger, als ein gutes deutsches EG-Bäuerlein an Gift für sogenannte Nahrungsmittel verspritzt. Öko- Golfers Motto: Landwirtschaftliche Flächen für Golfanlagen stillegen. Oder: Golf auf Altlasten — etwa im Ruhrgebiet. Woanders ist Golf Volkssport — zehn Prozent spielen in den USA. Hierzulande 0,1 Prozent — dabei würde jeder achte wollen, wenn man ihn nur ließe. Eine einzige kommunale Anlage gibt es (im Düsseldorfer Hafengelände), frei für jedermann — und die wirft sogar Gewinn ab. Nachahmer werden kaum gefördert.

Im Verein ist Golf am schönsten, lautet die Verbandspolitik. In Zeiten des außerparlamentarischen politischen Niedergange und einer Sinnkrise in der Szene sind neue Ziele zu definieren. Schafft eine Gegen-Golfbewegung! Schlagt ab! Locht ein! 70 Millionen Spieler weltweit können nicht irren. Werdet Mitglied in irgendeinem britischen Landclub (kostet als „social member“ keine 100 Mark im Jahr, und die armen Clubs freuen sich über jedes Pfund), denn dann muß Euch, zumindest wochentags, jeder deutsche Club als Gast willkommen heißen. Vermummt Euch als Kenner, und dann spielt, probiert. Besetzt Golfplätze! Mehrheiten, begehrt auf! Schmeißt die Bonzen aus den Bunkern! Erfahren im jahrelangen Kampf gegen die Mächtigen der Fairways — Euer Bernd Müllender