Serbische Propaganda

■ Belgrads plötzlicher Ruf nach Blauhelmen hat einen innenpolitischen Grund

Serbische Propaganda Belgrads plötzlicher Ruf nach Blauhelmen hat einen innenpolitischen Grund

Was allein Serbien seit Wochen als eine „feindliche Einmischung“ abstempelte, wird nun gefordert: UNO-Truppen sollen im kroatischen Krieg intervenieren. Um was die kroatische Regierung seit langem bat, will Serbien nun angeblich einfordern: Die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft. Wie erklärt sich dieser plötzliche Stimmungsumschwung des offiziellen Belgrad?

Es ist keine Einsicht, sondern einzig ein Manöver. Nach innen und nach außen. Nicht nur in Belgrad weiß man, daß die UNO keine Anstalten machen wird, ein militärisches Eingreifen in Jugoslawien auf die Tagesordnung zu setzen. Sie gab der Friedensinitiative der EG noch zu einem Zeitpunkt den Vortritt, als deren Scheitern offenkundig war. Jetzt eine „Puffertruppe“ zu entsenden, wäre selbst dann vergeblich, wenn Kroatien der Stationierung von UNO-Soldaten im Innern seiner Republik zustimmen würde. Heute lassen sich die Konfliktparteien durch eine „neutrale Pufferzone“ nicht mehr trennen. Zu weit ist die Libanonisierung in Jugoslawien vorangeschritten, als daß klare Trennungslinien zwischen den Fronten gezogen werden könnten. Die Führungskreise in Belgrad und Zagreb wissen das. Doch die Bevölkerung wird getäuscht.

Für Serbien aber hat die Seifenblasen-Forderung nach den Blauhelmen einen zusätzlichen innenpolitischen Effekt. Seit längerem schwelt ein Konflikt zwischen der jugoslawischen Volksarmee und der serbischen Regierung unter Slobodan Milosevic. Wenngleich die meisten westlichen Kommentatoren die Kriegsziele des offiziellen Serbien mit denen der jugoslawischen Generalität gleichsetzen, stimmt diese Gleichung nicht. Kurz ausgedrückt: Belgrad geht es um die Schaffung eines „großen“ serbischen Nationalstaates, der Bundesarmee um die Rettung eines „jugoslawischen“ Staatsgebildes. Einig ist man sich einzig darin, daß in den „abtrünnigen“ Republiken „faschistoide Politiker“ an der Macht sind.

Das offizielle Serbien nahm lange die Bundesarmee in Schutz und erklärte, sie schütze die serbische Minderheit als eine Art Friedenstruppe vor dem „kroatischen Genozid“. Da es aber der Bundesarmee bisher nicht gelang, sichtbare militärische Erfolge vorzuweisen — selbst Vukovar ist noch nicht endgültig gefallen —, will man in Serbien von der derzeitigen Armeeführung nichts mehr wissen. Daher muß die „Forderung“ nach UNO-Truppen als deutliches Signal an die Generalität gewertet werden, das Oberkommando endlich Milosevic in die Hände zu legen. Die jugoslawische Bundesarmee hat auch für Milosevic als „Friedenstruppe“ versagt. Nun versucht Belgrad mit einer hochgerüsteten eigenen Armee, in die der Waffenbestand der Bundesarmee einfließen soll, den Kampf gegen das „faschistoide Kroatien“ in die eigenen Hände zu nehmen. Damit verspricht man sich mehr Erfolg. Den zu vereiteln ist nur möglich, wenn die UNO nicht nur ein Waffen- sondern auch ein allgemeines Handelsembargo gegen Serbien ausspricht und die „Aufforderung“, Blauhelme zu entsenden, tatsächlich aufgreift — allerdings zu anderen Bedingungen als denen, die Serbien sich vorstellt. Roland Hofwiler