MIT DEM GATT-STREIT AUF DU UND DU
: Poker um Bauernopfer

■ Auch Bush bringt Gatt-Verhandlungen nicht weiter

Brüssel (taz) — Der Ausgang der weltgrößten Pokerrunde steht frühestens Mitte Dezember fest, wenn die Spieler aus über 100 Ländern das Genfer Kasino wieder verlassen haben. Bei dem nun fünf Jahre dauernden Kampf um ein allgemeines Zoll- und Handelsabkommen ist der Einsatz hoch: Tausende von Textilarbeitsplätzen stehen ebenso auf dem Spiel wie die milliardenschweren Agrarsubventionen. Ohne Kompromiß bei dem Landwirtschaftsproblem gehe nichts, warnte US-Präsident George Bush am Samstag in Den Haag. Bush war dort mit EG-Kommissionspräsident Delors und den niederländischen Regierungschef Lubbers zusammengetroffen, um nach Auswegen bei den Gatt-Verhandlungen zu suchen.

Wichtigster Streitpunkt im Welthandelspoker bleiben nach wie vor die EG-Agrarsubventionen, an denen die „Uruguay- Runde“ bereits im Dezember letzten Jahres gescheitert war. Die USA fordern, die Stützungszahlungen für die Landwirtschaft um 75 Prozent und die Exportsubventionen sogar um 90 Prozent abzubauen. Der EG-Vorschlag sieht dagegen vor, die Subventionen lediglich um 30 Prozent zu kürzen. Als Ausgleich für die dadurch entstehenden Einkommensverluste sollen den Bauern direkte Beihilfen gezahlt werden, die nicht unter die Gatt-Regeln fallen. Diesen Ausweg aus der endlosen Agrarkrise preist der EG-Agrar-Kommissar Ray Mac Sharry seit fast einem Jahr an — bislang ohne Erfolg. Im Pariser Elyssee Palast bangt man um die subventionierten Exportmärkte; Rückendeckung erhält Präsident Mitterrand von seinen Bauern. Ob dies helfen wird, ist allerdings fraglich — für die Weltpokerasse ist das Bauernopfer schon längst ausgemachte Sache.

Bundeskanzler Kohl propagiert seit Monaten, daß die Entscheidung in der EG über eine andere Agrarpolitik nicht länger blockiert werden dürfte. Noch steht jedoch nicht fest, ob sich die Bundesregierung bei den Agrarsubventionen wirklich vom Pariser Bündnispartner abwendet. Zusammen mit Irland verfügen die beiden EG- Schwergewichte eine Sperrminorität im Kreise der zwölf; und Landwirtschaftsminister Kiechle wehrt sich noch mit Händen und Füßen gegen den Gatt-Deal. Fraglich ist auch, ob sich durch eine bundesdeutsche Kursänderung überhaupt etwas für den Welthandel ändern würde. Schließlich sind allenthalben die Protektionisten auf dem Vormarsch. Als Alternative scheinen sich die Handelsmächte USA, Japan und EG erst einmal auf den Ausbau ihrer jeweiligen Hinterhöfe konzentrieren zu wollen. Michael Bullard