Flüchtlinge in Norderstedt geduldet

■ Kirchenvorstand hebt das Ultimatum auf/ Flüchtlinge werden „zunächst“ geduldet/ Stadt Schwerin bietet eine Alternative zur Unterbringung an/ Flüchtlinge wollen in Schleswig-Holstein bleiben

Norderstedt (taz) — Die vor einer Woche aus Greifswald nach Norderstedt (Kreis Segeberg) geflüchte Gruppe von gut 50 Asylbewerbern darf vorerst in der Shalom-Kirche des Hamburger Vorortes bleiben. Am Samstag abend hob der Kirchenvorstand ein Ultimatun auf, das gestern mittag abgelaufen wäre. Nun sollen die Flüchtlinge „zunächst“ geduldet werden, bis die Politiker eine Lösung gefunden haben.

Schleswig-holsteinische und mecklenburg-vorpommersche Landesregierung beharren weiterhin darauf, daß die Asylbewerber nach Ostdeutschland zurückkehren. Inzwischen hat das Schweriner Stadtparlament beschlossen, die Flüchtlinge in den Mauern der mecklenburgisch-vorpommerschen Landeshauptstadt aufzunehmen. Dazu erklärte ein Sprecher des Kieler Sozialministeriums: „Es ist nicht die Sache Schleswig-Holsteins, wo und wie das zuständige Land Mecklenburg- Vorpommern die Asylbewerber unterbringt. Wir erteilen da keine Ratschläge. Aber wenn sich eine Lösung anbahnt, ist das natürlich sehr begrüßenswert.“

Sprecher der Flüchtlingsgruppe wiesen den Schweriner Vorschlag dagegen als „Scheinlösung“ zurück. Sie wollen in Schleswig-Holstein bleiben. Die Asylbewerber fürchten nach den Greifswalder Hooligan- Angriffen des vorletzten Wochenendes an jedem ostdeutschen Ort um ihr Leben. Vor ihrer Odysse von Greifswald nach Norderstedt hatten die Flüchtlinge sechs Wochen lang eine Kirche in Neumünster besetzt, weil sie nicht über Unterkünfte in den ostdeutschen Ländern verteilt werden wollten. Ihre gemeinsame Unterbringung in Greifswald war auf kirchliche Initiative erfolgt.

Die schleswig-holsteinischen Grünen haben inzwischen eine Alternativlösung zur Unterbringung in Mecklenburg entwickelt, deren Details der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt gemacht wurden. Es wurde angeblich eine große Unterkunft im nördlichsten Bundesland gefunden, in der die herumgeschubste Gruppe dauerhaft bleiben könnte. Doch der Kieler Sozialminister Günther Jansen (SPD) ist nicht kompromißbereit. Er erklärte gestern: „Ich bleibe knallhart. Die Gruppe muß Schleswig-Holstein verlassen.“

Heute wollen Jansen und der mecklenburgische Innenminister Georg Diederich (CDU) in Schwerin darüber beraten, wie mit der Flüchtlingsgruppe weiter verfahren werden soll. Ob der gestern spät abends aus dem Urlaub zurückgekherte Shalom–Pastor Helmut Frenz noch Einfluß auf die Diskussionen nehmen kann, ist offen. Frenz war mehrere Jahre bundesrepublikanischer Generalsekretär von amnesty international. Jürgen Oetting