Einfache Strickmuster-betr.: "Undemokratische Traditionen aufarbeiten", taz vomn 30.10.91

betr.: »Undemokratische Traditionen aufarbeiten«, taz vom 30.10.91

Wer Aufarbeitung der Vergangenheit der AL aus Anlaß des Falles Schneider will, sollte nicht nur ehrlich und offen, sondern auch politisch und sprachlich genau sein. Dies läßt Bernd Köppl allerdings in weiten Teilen, meines Erachtens absichtlich, vermissen.

Ausdrücklich teile ich mit ihm die Auffassung, daß fast alle (in und außerhalb der AL inklusive B.K.) oftmals die Forderung nach Verwirklichung der Freiheits- und Menschenrechte in den ehemals sozialistischen Ländern nicht mit der aus heutiger Sicht notwendigen Vehemenz vorgebracht, auf die Straße und in die Staaten selbst hineingebracht haben. Das hatte viele Gründe, über die nachzudenken und zu streiten sich sehr lohnt.

In demagogischer Manier fällt Bernd Köppl dann aber ohne Not über den Stasi-»Spion« Dirk Schneider her. Auch ich halte Schneiders Zusammenarbeit mit der Stasi für zutiefst verwerflich und für einen Vertrauensbruch mit Programm und Menschen. Klar ist dennoch: Schneider war »nur« ein Informant, aber keineswegs ein Spion im klassischen Sinne; außerdem waren seine Positionen und damit auch einige wenige AL-Positionen nicht Stasi-beeinflußt, diese waren immer »echt«.

Ebenfalls dient es wenig der Wahrheitsfindung, um so mehr der eigenen (Strömungs)politik, zu behaupten, Schneider habe hinter der von ihm beeinflußten AL-Linken quasi SED-Ideologie nach außen vertreten zu können. Dieses einfache Strickmuster ist

1.falsch, da Schneider sich in entscheidenden deutschlandpolitischen Abstimmungen in der Minderheit befand,

2.unfair, da Schneiders Parteikarriere von allen Teilen der AL getragen wurde, und daher

3.offenbar der Versuch, der späten persönlich-politischen Abrechung mit der damaligen AL-Linken.

So geht's nicht! So miteinander umzugehen, dient lediglich der eigenen Reinwaschung und nicht dem, was auch Köppl vorgibt anzustreben, nämlich die Chance der Weiterentwicklung durch die Erarbeitung von Erkenntnis. Michael Janßen, AL Tiergarten