Israel warnt vor Euphorie

Palästinenser sollen „bescheidener“ auftreten/ Arbeiterpartei weiter gegen Gespräche mit der PLO  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Das Zeitalter der Steine sei vorbei, die neue Epoche werde durch Olivenzweige gekennzeichnet sein. Mit diesen Worten umschrieb der Palästinenserführer Faisal al Husseini die neue Lage nach seiner Rückkehr aus Madrid nach Ostjerusalem. Die veränderten politischen Bedingungen erforderten neue Symbole und Lösungen, so Husseini. Daher müßten nun politische Komitees ins Leben gerufen werden, die den Friedensprozeß planen und beim Aufbau der Strukturen der Regierungsorgane des künftigen palästinensischen Staates mitwirken.

Einzelheiten über die Arbeitsweise dieser „Komitees für politische Tätigkeit im besetzten Land“, die unter Führung von Sari al Nusseibeh und Ziad Abu Ziad stehen, sind bislang noch nicht bekannt. Alle der bislang benannten Mitglieder stehen der größten Palästinenserorganisation Al Fatah von Yassir Arafat nahe; Anhänger anderer Gruppen wurden aufgefordert, sich anzuschließen.

Husseini, der am Sonntag erstmals in einer Sendung des israelischen Fernsehens auftrat, erklärte, die Autonomie, die jetzt Verhandlungsgegenstand sein soll, sei ein System der Machtübergabe an die Palästinenser. Dieses Übergangsstadium werde schließlich zur Selbständigkeit führen.

Hanan Ashrawi, Sprecherin der Palästinenser in Madrid, konkretisierte gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Husseini die Übergangsregelungen: Die Palästinenser verlangten, daß die Kontrolle über das Land, die Bodenschätze (Wasser) und die Gesetzgebung in ihre Hände übergeht. Mit den Bereichen Gesundheit, Erziehung oder Müllabfuhr würden sie sich nicht zufrieden geben, sagte Ashrawi, die es vermied, den Ausdruck „Autonomie“ zu verwenden. Die arabische Seite müsse ihre Position koordinieren, um ein Ende der Besatzung zu erreichen.

Die begeisterten Empfänge, die den Delegierten bei ihrer Rückkehr aus Madrid geboten wurden, sind im offiziellen Israel nicht auf Zustimmung gestoßen. Jossi Achimeir, Bürochef von Ministerpräsident Shamir, riet den Palästinensern, „bescheidener und weniger arrogant zu sein“. Das palästinensische Verhandlungsteam scheine mit einem übertriebenen Selbstbewußtsein zurückgekehrt zu sein und zu glauben, daß sie sich jetzt alles erlauben könnten und sich benehmen könnten, als ob sie die Führer eines selbständigen Staates wären, beklagte sich Achimeir. Bis das Palästinenserproblem gelöst sei, sei es allein Israel, das bestimme, was in den besetzten Gebieten geschieht. Im Amt des Ministerpräsidenten wird jetzt davor gewarnt, daß „die Euphorie der palästinensischen Bevölkerung völlig unrealistisch ist und den Friedensprozeß gefährdet“. Schließlich, so die dortige Lesart, könne diese Begeisterung auch zu Ausbrüchen von „Gewalt und Terrorismus“ führen. Die israelischen Sicherheitsbehörden gaben am Sonntag bekannt, daß Anschläge und „Störungen der öffentlichen Ordnung“ seitens der Palästinenser seit Beginn der Madrider Konferenz um 40 bis 70 Prozent zurückgegangen seien.

Die oppositionelle israelische Arbeiterpartei ist offenbar auch nicht Willens, den Zeichen der Zeit Rechnung zu tragen. Ihr Politbüro beschloß am Sonntag, daß auch im künftigen Parteiprogramm Verhandlungen mit der PLO und die Anerkennung eines palästinensischen Selbstbestimmungsrechts abgelehnt werden sollen. Die Verabschiedung des Programms auf dem bevorstehenden Parteitag dürfte zu einem Konflikt mit den sogenannten Tauben führen, die ebendies fordern. Die Tauben, die in der Arbeiterpartei „eine Alternative zum Likud und nicht einen Partner“ sehen, werden unter Umständen versucht sein, eine eigene Knessetfraktion im Rahmen der Partei und möglicherweise auch einen gemeinsamen Block mit den weiter links stehenden Abgeordneten aus Mapam, Raz und Shinui zu bilden — eine interessante Entwicklung im Hinblick auf die Wahlen im kommenden Jahr.