piwik no script img

Beschränkte Pressefreiheit

■ Diskussion um das geplante Stasi-Akten-Gesetz: Schutz für ehemalige Stasi-Opfer oder Maulkorb für die Medien?

Berlin (dpa/taz) — Nach der heftigen Kritik am geplanten Stasi-Akten- Gesetz haben CDU, FDP und SPD signalisiert, den geplanten Gesetzestext vor der Verabschiedung im Bundestag möglicherweise doch noch zu ändern. Die innenpolitischen Sprecher der drei Fraktionen luden gestern Vetreter der Medien ein, um über die umstrittenen Paragraphen im Gesetzentwurf zu diskutieren.

Der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger bekräftigte seine Kritik, daß der Entwurf verfassungswidrig sei. Unvereinbar mit den Grundsätzen einer freien Presse sei, wenn die Berichterstattung aus Stasi-Akten von der Genehmigung einer Behörde abhängig gemacht werde. Der Bundesverband verwies auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Persönlichkeitsrecht Betroffener zurücktrete, wenn innerhalb einer Güterabwägung die Bedeutung der Information für die Öffentlichkeit überwiege. Die Politiker der Koalitionsfraktionen vertraten dagegen die Meinung, daß die Presse bis auf Ausnahmen jede ihr zugetragene Information veröffentlichen könne. Nur wer rechtswidrig beschaffte Informationen publiziere, könne bestraft werden. Die Presse könne außerdem jede Information veröffentlichen, die ihr zugetragen werde oder die sie von einem Opfer erhalte.

Auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Johannes Gerster, wies Berichte zurück, der Presse solle ein „Maulkorb“ verpaßt werden. Die Behauptung, durch das Stasi-Unterlagen- Gesetz sollten Täter geschützt werden, nannte er „falsch“ und „böswillig“. Umstritten ist vor allem die geplante Vorschrift, wonach Veröffentlichungen über Stasi-Material zuvor von den Gauck-Behörde genehmigt werden müssen. Das Gesetz, das am Donnerstag in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden soll, sieht Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren vor, wenn aus Stasi-Akten ohne Genehmigung berichtet wird.

In der SPD gibt es unterdessen keine Einigkeit über das weitere Vorgehen. Während der noch amtierende Fraktionschef Änderungen in der Gesetzesvorlage nicht ausschloß, will der innenpolitische Sprecher Wilfried Penner an der restriktiven Beschlußvorlage festhalten. Er verteidigte die Strafvorschrift als Schutzmaßnahme für ehemalige Stasi-Opfer. Der Sicherheitsexperte stellte allerdings mittelfristig eine Novellierung des Gesetzes in Aussicht. Führende Bürgerrechtler aus der DDR, wie Werner Fischer und Bärbel Bohley, betonten, es sei gerade das Verdienst der Medien, Stasi-Machenschaften aufgedeckt zu haben. Ohne die Medien säßen Wolfgang Schnur, Ibrahim Böhme und Lothar de Maizière „sonst immer noch in ihren Sesseln“. wg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen