Demnächst recht und billiger?

■ Gibt das Bremer Theater den aufwendigen Repertoire-Betrieb auf? Rolf Rempe im Interview

Foto1

„Wo hinter rissiger Fassade der Charme von Linoleumfußböden herrscht...

Seit 40 Tagen mischt Rolf Rempe, ehemals Marketing-Chef der hiesigen Landesbank, jetzt beim Bremer Theater mit: als neuer Verwaltungsdirektor. Dabei hängt er zwischen zwei Intendanten: Der neue, Hansgünther Heyme, ist erst mit einem Bein da, der alte, Tobias Richter, ist schon mit einem fort. Die taz sprach mit Rempe über ein schweres Amt.

taz: Ahnen Sie inzwischen, was in einem Theater anders ist als in der Bank?

Rolf Rempe: Das ahnte ich schon vorher. Allerdings wäre mir lieb gewesen, ich hätte nicht schon nach zwei Wochen ein Stück absagen müssen.

Ist denn Ilja Richters „Staatsoperette“ wirklich aufgeschoben und nicht längst aufgehoben?

Das war natürlich im Theater eine Krisensituation. Aber wir haben gemeinsam diskutiert, ob das Stück nicht ein bißchen verkleinert werden kann, so etwa kam

merspielmäßig oder als politisches Kabarett. Also: in veränderter Form könnte es gut noch kommen.

Unter all den Problemen, die Sie vorgefunden haben: Was war das größte?

Das finanzielle. Das Haus hat ja noch durchaus den Charme von Linoleumfußböden und einer rissigen Fassade. In diesem Ambiente will das Theatererlebnis sich nicht so richtig runden. Und im künstlerischen Bereich haben wir kaum Reserven, um Highlights zu setzen oder mal einen zusätzlichen Namen, eine zusätzliche Farbe hereinzuholen.

Und die Umbauschulden in Millionenhöhe, die das Theater nach dem Willen der Behörde selber abstottern soll, werden die jetzt wenigstens gestundet?

Das ist noch nicht endgültig entschieden.

Heyme ist aber angetreten unter der Bedingung, daß ihm keine Erblasten aufgeladen werden.

Nunja, in der ersten Spielzeit wird, glaube ich, niemand erwarten, daß wir Gewinn machen. Ein neuer Intendant will ja auch erstmal zeigen, was er kann. Darüberhinaus stellt sich Heyme auch vor, daß das Concordia zu einer ernstzunehmenden Spielstätte ausgebaut werden könnte mit bis zu 200 statt jetzt 100 Plätzen. Oder daß der Brauhauskeller durchaus auch eine Experimentierbühne werden könnte. Außerdem hat er hohe Ansprüche, angefangen schon beim Bühnenbild über die Auftretenden bis hin zu den Ausstattern.

Da wird's womöglich eng mit dem Geld.

Nun, es gehen auch, und nicht nur in Bremen, die Zuschauerzahlen

„Mindestens die größeren Inszenierungen, wo sonst immer aufwendig umgebaut werden müßte, könnten wir en suite durchspielen“

zurück. Wir wollen mit aller Kraft diese Entwicklung umdrehen: neue Leute ins Theater locken und die alten, die bisher enttäuschten, wiedergewinnen. Zudem ist ein neuer Intendant natürlich ein Neugierfaktor, der Leute anzieht. Diese Mehreinnahmen würden wir in einen Topf stecken, mit dem wir dann kleine Akzente finanzieren.

Wissen Sie schon, welche?

Im Moment diskutieren wir den Spielplan. Das muß ja ein sehr sorgfältig geplanter Spannungsbogen werden, damit schnell klar wird, was das für ein Theater wird, und in welcher Breite.

Nun weiß man ja nicht, was wird und ob nicht plötzliche Schicksalsschläge erfordern, gleich zehn Millionen einzusparen. Grübeln Sie über Sparkonzepten?

Das ist meine Aufgabe. Ich glaube, daß der Betrieb sich reibungsloser gestalten ließe, auch mithilfe der EDV, die hier noch zu wenig genutzt wurde.

Wenn Sie konsequent kaufmännisch denken, müßten Sie das Stagione-System erwägen, wo jedes Stück en suite durchgespielt wird, bevor das nächste kommt. Das ist am billigsten.

Das ist eine Überlegung, die wir intensiv verfolgen.

Wahrhaftig? Dann wäre Bremen das erste Stadttheater, das den teuren Repertoire-Betrieb aufgibt.

Das müßte man aber dem Publikum erstmal begreiflich machen. Außerdem ist der Einsparungseffekt viel geringer, als man denken möchte. Aber mindestens größere Inszenierungen, wo sonst immer aufwendig umgebaut werden müßte, könnten hintereinander weg gespielt werden. Das würde jedenfalls helfen, beim jetzigen Personalstand Überlastungsspitzen abzubauen.

Nun ist das ganze Haus, ehe Heyme einzieht, in einer kniffligen Lage: Der neue Intendant ist noch nicht da und der alte noch nicht weg. Muß darunter die Theatermaschine nicht gewaltig ächzen?

Ja, der eine ist schon auf Reisen und sucht neue Betätigung, der andre schließt in Essen ab. Das ist schwierig. Noch schwieriger ist, daß die Zuschauer, wie immer in einer endenden Ära, die Gefolgschaft versagen.

Nun müssen Sie ja auch Ihrerseits einem Teil des Ensembles die Gefolgschaft aufkündigen.

Ja, aber das ging in erfreulichem Einvernehmen ab.

Wieviele müssen im Schauspiel gehen? Zwei Drittel?

In etwa.

Letzte Frage: Sie sind, obwohl noch neu im Amt, schon beim Aufbau eines Kulturrats dabei.

Naja, ich arbeite für die Sparte Theater in dem Ausschuß mit, der die konstituierende Sitzung im Dezember vorbereitet.

Da haben Sie mit den geplagten Hungermäuschen der Freien Theaterszene zu tun. Wie kommt Ihnen das vor, wo Sie doch eher der Vertreter des Elefanten sind?

Ach, ich glaube, wir haben uns da schon zurückzuhalten. Aber das Interesse, daß der Kulturetat vernünftig ausgestattet ist, haben wir alle gemeinsam. Und ich selber bin außerdem sehr an Schnittstellen interessiert, die sich zwischen uns und dem Freien Theater ergeben könnten, und nicht nur im Bereich der Technik und des Know- How. Warum sollte man nicht mal den Theaterbegriff der Öffentlichkeit erweitern? Da hätte ein Theater wie das unsere alleine schon räumlich etwas zu bieten. Interview: Manfred Dworschak