Ampeldebatte

■ "Sehr vorsichtige Integration"

AMPELDEBATTE

„Sehr vorsichtige Integration“

Die taz bietet ab sofort täglich diesen Platz für Zwischenrufe zu den Ampelkoalitions-Verhandlungen. Zur Auseinandersetzung um die Schulpolitik (vgl. S.21) heute ein Interview mit der gymnasialen Leiterin des SEK- I-Zentrums Drebber Straße, Margarete Agather-Rößler, über praktische Erfahrungen mit schultartenübergreifendem Unterricht.

taz: Im Schulzentrum Drebber Straße gibt es seit über drei Jahren ein „Hausprojekt“. Was ist das?

Margarete Agather-Rößler: Jeweils eine Gymnasial-, eine Realschul- und eine Hauptschulklasse bilden zusammen ein „Haus“, das nicht mehr als 54 Schüler haben soll. Die Schularten bleiben gewahrt, aber es gibt ganz viele Möglichkeiten der Integration.

Was machen die „Häuser“ zum Beispiel zusammen?

Wir machen projektorientierten Unterricht, in dem die Inhalte verschiedener Fächer aufeinander abgestimmt werden, um ein Ziel zu erreichen, zum Beispiel eine Ausstellung zum Thema 'bedrohte Regionen der Erde'. Es wird dann geguckt, was zum Beispiel Erdkunde, Gemeinschaftskunde, Biologie zu diesem Thema beitragen können. Dieser Unterricht findet in den drei verschiedenen Schularten parallel statt, so daß wir nach Bedarf die Schularten auflösen und in integrierten Gruppen arbeiten können.

Alle 54 Schüler zusammen?

Nein, in drei neu zusammengesetzten Gruppen. Die machen auch gemeinsame Ausflüge, gemeinsame Klassenfahrten oder Feste.

Fühlen sich die Schüler da nicht ständig hin- und hergeschoben zwischen Klasse und „Haus“-Gruppe?

Nein, das haben sie ganz schnell als positiv empfunden. Die Schüler haben inzwischen nicht nur ein Gemeinschaftsgefühl in ihrer Klasse, sondern ein richtiges „Hausbewußtsein“. Die Motivation der Schüler ist deutlich gestiegen. Die Kinder gehen wirklich recht gern zur Schule, sie fanden auch sehr positiv, daß sie selbst mitbestimmen können, welche Ziele im Unterricht angestrebt werden. Und sie haben Freundschaften mit Schülern aus den anderen Schularten geschlossen.

Gab es bei den Eltern auch Widerstand gegen das „Haus“-Projekt?

Natürlich gibt es auch einige wenige kritische Stimmen, aber gar nicht unbedingt aus dem Bereich des Gymnasiums. Die Eltern sind eigentlich mit dem „Haus“-Konzept sehr zufrieden. Nur solange die Informationen noch nicht gut sind, wird die Frage von Eltern, deren Kinder einmal aufs Gymnasium gehen sollen, oft gestellt: Lernen die dann auch genug für die Oberstufe?

Weil das ein Schritt ist von der kooperativen zur integrativen Gesamtschule?

Ja, aber mit sehr, sehr viel Differenzierung. Wir machen das sehr sorgfältig: In manchen Phasen kann man wunderbar integrieren — wenn die eine Ausstellung basteln, warum soll man dann die Schularten trennen? Aber wenn es zum Beispiel um Literatur geht, dann kann man Hauptschülern und Gymnasiasten wirklich nicht das Gleiche zumuten. Die sind nicht in der Lage, die gleichen Texte zu lesen, auch wenn man sie noch so sehr fördert. Wir machen dann das gleiche Thema, aber in der Hauptschule liest der Lehrer selbst ganz viel vor, sie kennen das Thema und reden über zentrale Stellen. Und im Gymnasium müssen die Schüler das selbst lesen, und dann wird Textanalyse gemacht.

Die „Häuser“ sollen jetzt auf die ganze Schule ausgeweitet werden?

Ja, wir sind dabei, an einem Antrag zu arbeiten. Das Kollegium hat sich bei einer Gegenstimme und sieben Enthaltungen dafür ausgesprochen. Fragen: Dirk Asendorpf

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