Weshalb ich mein Alphorn nicht bei mir trage

■ Schweizer erfreuen sich einer positiven Diskriminierung/ Wenn sie ihre roten Pässe schwenken, leuchten in manchen Augen Schweizerkreuzchen/ Zugleich hören sie stets dieselben blöden Fragen/ Ein paar Antworten gibt der folgende Bericht

Berlin. SchweizerInnen werden in Berlin nicht von grölenden Skins aus der S-Bahn gestoßen, und in ihre Wohnungen fliegen keine Brandsätze. Menschen wie Hinz und Kunz also? Keineswegs. Wenn ich auf einer Party jemanden kennenlerne, betrifft spätestens die dritte Frage die dubiosen Nummernkonten. Ich winke ab, doch auch der Hinweis auf unser neues Bankengesetz vermag den Argwohn nicht zu beseitigen. Habe ich das Bankgeheimnis geduldig gelüftet und will schleunigst das Thema wechseln, geht schon das bohrende Fragen weiter: Wie das denn nun sei mit dem Frauenstimmrecht. Und mit den Löchern im Käse. Ob wirklich alle Männer zu Hause ein Gewehr im Schrank hätten. Wie ich denn in so einer Dreckstadt wie Berlin überhaupt leben könne, wo doch alle Schweizer einen furchtbaren Reinlichkeitsfimmel hätten. Um diesem Klischee zu entkommen, putze ich meine Wohnung höchstens zweimal im Jahr — es nützt alles nichts.

Schweizer sind Balsam für die Bürokraten: Als ich meine Aufenthaltsbewilligung beantragen wollte, stieß ich vor der Ausländerbehörde auf eine Schlange, in der ich ungefähr zehn Stunden hätte warten müssen. Ich fragte einen Beamten, ob es in Berlin noch andere Antragstellen gebe. »Welche Nationalität haben Sie denn? Schweizer?« Hell leuchteten in seinen Augen die Schweizerkreuzchen auf, und er nahm mich herzlich beim Arm — eine halbe Stunde später hatte ich die Bewilligung in der Tasche.

Schweizer sind seriös und haben Geld. Wir bewarben uns für eine Wohnung, man wollte sie uns nicht geben. In der Not schwenkten wir unsere roten Pässe; da begann der Verwalter zu strahlen und holte ein Vertragsformular. Obwohl mein Mitbewohner Schriftsteller mit unsicherem Einkommen ist und ich brotloser Student: Der Mann hätte uns am liebsten gleich drei Wohnungen vermietet.

Schweizer sind pedantisch und denken noch langsamer, als sie reden. Apropos reden: Wenn ich mit kehligem »K« einen Kaffee bestelle, dann fragt man mich besorgt, ob ich eine Kotztüte brauche. Was man an den Palästinensern als archaischen, erotisierenden Kehllaut bewundert, wird mir als Kotzübeligkeit ausgelegt. Übrigens — so wurde ich kürzlich belehrt — ist Schweizerisch gar kein Deutsch, sondern eine Halskrankheit. Dies erklärt immerhin gewisse Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Schweizern und Deutschen. Vielleicht erklärt es auch etwas von der legendären Schweizer Neutralität. Denn wenn die Parlamentarier in Bern das ganze Jahr über nur husten und sich gegenseitig mit ihrer Bronchitis anstecken, was soll da an Positionen über Europa oder Treibhauseffekt schon rauskommen? [Na was wohl? Mehr heizen! säzzer]

Wer zur Kreuzberger Multikulti- Szene gehören will, muß rassistische Untertöne gegenüber Vietnamesen und Angolanern dringend vermeiden. Nicht so gegenüber Ossis, Schwaben und Schweizern. Um Mißverständnisse auszuschließen, nennen mich gewissen Leute nicht »Daniel« oder »Na Alter«, sondern »Schweizer«. »Hallo Schweizer.« So was Albernes! Würden sie sagen: »Hallo Türke« oder »Ach, da kommt der Algerier«, würde ihnen blanker Rassismus bescheinigt.

Aber mit uns ist das eben ein bißchen anders. Weil die Schweiz das Traumland der deutschen Spießer ist, und weil wir Deutsch reden (wenn auch Kotztütendeutsch), sind wir keine richtigen Ausländer. So was zwischendrin, weder Fisch noch Vogel. Nicht fremd, aber exotisch. Warum bin ich auf einer Party eigentlich noch nie gefragt worden, weshalb ich keine Kuhglocke um den Hals trage? Oder wie ich so unauffällig das Alphorn in meiner Kleidung verberge, das doch alle Schweizer stets mit sich rumtragen würden?

Merke also für die nächste Party: Schweizer sind unzuverlässig, chaotisch und lasch. Sie waschen sich nie, denken blitzschnell, und weil sie ihr Geld immer gleich verprassen, haben sie entweder kein Nummernkonto oder es ist nie etwas drauf. Alles klar? Daniel Janett