Mehr Warten statt Lesen

■ Bibliotheken müssen wegen Personalkürzungen ihren Service einschränken

Kreuzberg. Die Leseratten stürmen die sinkenden Schiffe: Berlins Bibliotheken, durch die Vereinigung der Stadt mit rapide steigenden Leserzahlen und gleichzeitigen Personalkürzungen konfrontiert, schlugen gestern Alarm. Bei einer Pressekonferenz in der Kreuzberger Amerika- Gedenkbibliothek (AGB) machten die Kulturverwaltung und Bibliothekare aus Ost und West klar, womit die AusleiherInnen in Zukunft verstärkt zu rechnen haben: verschlossene Türen, lange Warteschlangen, verschlissene Buchbestände, weniger neue Medien (Videos, Cassetten, CDs, Disketten etc.). Bei nun zu streichenden 109 Personalstellen werden die Serviceleistungen der Bibliotheken eingeschränkt werden müssen. Bibliotheksbusse und Patientenbibliotheken werden den Sparmaßnahmen ganz zum Opfer fallen. In vielen Bezirken werden mehrere kleine Bibliotheken geschlossen. Im Ostteil der Stadt sind die Mieten für Bibliotheksräume ein Problem: sie haben sich in der Regel verzehnfacht. Möglichkeiten zur Rationalisierung gibt es kaum, weil die Berliner Bibliotheken fast durchgängig technisch auf dem Stand der 50er und 60er Jahre sind.

Was diese Sparmaßnahmen bedeuten, läßt sich wie in einem Fokus an der AGB beobachten, die als Sofortmaßnahme Anfang der Woche beschlossen hat, täglich eine Stunde früher zu schließen, was einer Verringerung der Öffnungszeiten um 10 Prozent entspricht. Außerdem muß das Buchmagazin sporadisch geschlossen werden, werden die Wochenendentleihungen gestrichen, wird die Leseranmeldung zeitweilig geschlossen. Weitere Einschränkungen seien möglich, hieß es gestern. Seit dem Mauerfall haben sich die Ausleihzahlen der AGB verdoppelt, die Benutzerzahl hat sich sogar fast verdreifacht — bei gleichgebliebenem Personalstand. Zudem fehlt es an Platz, weil der lange geplante Anbau nun ganz gestrichen ist.

Die anwesenden Bibliothekare betonten, daß den Bibliotheken in der Umbruchphase der Vereinigung wichtige Aufgaben zukämen. Im Prinzip seien Aufstockungen statt Kürzungen fällig. kotte