Wie starb Maxwell?

Dublin (taz) — Robert Maxwell ist weder plötzlich noch an einem Herzinfarkt gestorben und lag erst kurze Zeit im Wasser, als er aus dem Atlantik gefischt wurde. Das jedenfalls behauptet eine Ärztin, die dem dreiköpfigen pathologischen Untersuchungsteam angehört.

Dem spanischen Regionalfernsehen Tele Madrid zufolge habe die Ärztin, deren Name nicht bekanntgegeben wurde, keine Hinweise auf einen Herzinfarkt, sondern „Spuren einer Droge“ bei der Obduktion festgestellt. Es sei nicht auszuschließen, daß Maxwell vergiftet worden sei. Außerdem deuteten die Hautrunzeln und die Wassermenge in den Lungen darauf hin, daß der Medienzar nicht länger als sechs Stunden im Wasser gelegen habe. Bisher war man von 14 Stunden ausgegangen.

Die staatliche spanische Nachrichtenagentur 'efe‘ beruft sich auf Informanten, die behaupten, Maxwell sei von einer Welle über Bord gespült worden, habe sich vier Stunden über Wasser halten können und sei erst dann an einem Herzinfarkt gestorben. Gegen diese Theorie spricht der Wetterbericht: Das Meer war an dem Tag spiegelglatt.

Obwohl Maxwell längst begraben ist, gehen die forensischen Untersuchungen in Madrid und Sevilla weiter. In Großbritannien mißtraut man den Fähigkeiten spanischer Ärzte jedoch zutiefst. „Die Spanier sind für kompetente Obduktionen nicht gerade bekannt“, sagte Austin Gresham, Pathologie-Professor an der Universität Cambridge. So hat sich die pharmakologische Fakultät der Universität Oxford drei Proben aus Gehirn, Lunge und Nieren schicken lassen, um eigene Untersuchungen durchzuführen.

Zahlreiche Fragen sind nach wie vor unbeantwortet: Warum wurde Maxwells Rede vor der anglo-israelischen Vereinigung in London am Tag vor seinem Tod erst eine Stunde vorher „wegen Krankheit“ abgesagt, obwohl er längst auf Kreuzfahrt war? Warum hieß es zunächst, daß Fischer die Leiche östlich von Gran Canaria — 150 Kilometer von der tatsächlichen Fundstelle entfernt — entdeckt hätten, was von dem Gouverneur Teneriffas bestätigt, später aber korrigiert wurde? Und wie konnte die Yacht von der Südspitze Gran Canarias in nur zweieinhalb Stunden nach Los Cristianos auf Teneriffa gelangen?

An den Antworten sind vor allem die britischen Versicherungen interessiert, bei denen Maxwell gegen Unfalltod und Mord versichert war. Bei einem natürlichen Tod müssen sie nicht zahlen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, ob Maxwell aufgrund eines Herzinfarkts über Bord gegangen ist (natürlicher Tod) oder ob er erst im Wasser einen Herzinfarkt erlitten hat (Unfall). In diesem Fall müßten die Versicherungen 20 Millionen Pfund (ca. 60 Mio. Mark) an Maxwells Unternehmen auszahlen. Sollte der Verleger gar ermordet worden sein, könnte seine Witwe diesen Betrag kassieren. Kein Wunder, daß sie die bisherigen Untersuchungen der Todesumstände als „völlig provisorisch“ bezeichnet. Ralf Sotscheck