Sand im Getriebe des „Fortschritts“

Die spanische Umweltschutzgruppe setzt soziale Konzepte gegen den Ausverkauf der Natur  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Viele sind sie nicht gerade. 2.000 Menschen, auf ganz Spanien verteilt, ein Klacks. Und dann noch fast ohne Geld. Dennoch tun die 2.000 Mitglieder von AEDENAT (Ökologische Vereinigung zur Verteidigung der Natur), was sie können, um Sand ins Getriebe zu streuen — das Getriebe unökologischer Behandlung von Mensch und Natur. Die Regierung verabschiedet einen neuen Nationalen Energieplan? AEDENAT meckert, daß mal wieder die umweltfreundlichen Energien zu kurz gekommen sind. Es gibt eine Diskussion über den Bau neuer Müllverbrennungsfabriken? AEDENAT bringt Recycling als oberstes Anliegen ein. Unfall im Atomkraftwerk? AEDENAT fordert Schließung aller AKWs.

Selbstverständliche Dinge, mag man in Deutschland über derlei Initiativen denken. Doch in Spanien wird der Umweltschutz nicht nur nach wie vor ganz klein geschrieben, häufig besteht noch nicht einmal das Bewußtsein über mögliche schädliche Auswirkungen einer Maßnahme. Im Zweifel zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz entscheiden sich nicht nur die regierenden Sozialisten in der Regel für ersteres — auch im Denkmodell der Linkskoalition Izquierda Unida hat der „Fortschritt“ häufig Vorrang, egal, wie er dann später aussehen mag. In einem so weiten und bislang so wenig zersiedelten Land fallen Umweltschäden erst spät auf — häufig dann, wenn es bereits zu spät ist. Die AEDENAT ist nicht die einzige Öko-Gruppe. Umweltschutzorganisationen gibt es eine ganze Reihe. Gemeinsam ist ihnen die niedrige Mitgliederzahl und die geringe materielle Ausrüstung. Neben den beiden Ablegern von Greenpeace und World Wildlife Fund sind die meisten anderen Gruppen jedoch regional begrenzt und verteidigen dadurch auch nur Regionalinteressen, was eine für Spanien zwar typische Art ist, Politik zu machen, sich jedoch auf den Umweltschutz katastrophal auswirkt.

AEDENAT jedoch setzt sich aus 16 regionalen Gruppen zusammen, die alle drei Monate ein Koordinationstreffen und einmal im Jahr eine Gesamtversammlung veranstalten. Die Gruppen sind in ihren Handlungen autonom, sie finanzieren sich aus Mitgliederbeiträgen. Die Annahme von staatlichen Subventionen lehnt AEDENAT ab, um ihre Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Anders als vielen anderen Umweltschutzgruppen in Spanien, geht es AEDENAT nicht nur um den reinen Erhalt der Natur — sie setzt soziale Konzepte dagegen. So fand in Madrid vor zwei Jahren auf Initiative der AEDENAT ein Referendum über den Verkehr statt, in dem die Madrilenen zu dem Vorschlag befragt wurden, den Autoverkehr in der Innenstadt einzudämmen und die öffentlichen Verkehrsmittel auszubauen. Das Referendum ergab eine hohe Befürwortung der öffentlichen Verkehrsmittel; wobei allerdings zu vermuten ist, daß sich die Autofans in geringerem Maß daran beteiligt hatten. Sichtbaren Erfolg hatte die Kampagne jedoch nicht: Der konservative Bürgermeister ließ sich lächelnd von der Presse auf einem Fahrrad fotografieren und betrieb seine autofreundliche Politik weiter. Wichtig war jedoch, daß in Madrid erstmalig radikale Alternativen zum augenblicklichen Dauerstau vorgestellt wurden.

Parteien unterstützt AEDENAT nicht. „Wir sind eine soziale Bewegung“, erklärt Jose Luis Garcia von AEDENAT Madrid, „und geben höchstens negative Empfehlungen ab bezüglich Parteien, die eine besonders umweltschädliche Politik machen.“ Konkret zu empfehlen wäre insofern ohnehin keine. Auf Izquierda Unida ist in Sachen Umweltschutz kein Verlaß, und die Grünen sind zu sehr mit inneren Querelen beschäftigt, um sich politisch artikulieren zu können. Also weiter Sand ins Getriebe.