Keine Stimme für die Fanprojekte

■ Den deutschen Fanprojekten droht das völlige Aus: Weder Geld von den Kommunen noch vom DFB

Bochum (taz) — Von 2,5 Millionen Mark hatten sie geträumt, von einer Zentrale mit sieben Mitarbeitern, von Weiterbildung der Fan-Arbeiter und von einem Rettungsfond für in Not geratene Fanprojekte. Die Arbeit der einzelnen deutschen Fanprojekte sollte enger miteinander verknüpft und darüber hinaus ein Anfang bei der internationalen Vernetzung gemacht werden. Jetzt aber sind der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der Fanprojekte die letzten 15.000 DM gestrichen worden. Statt neuer Aufschwünge droht das völlige Aus.

1982 war in Bremen das erste deutsche Fanprojekt gegründet worden. Aber von Beginn an war ihre Geschichte eine vom Kampf ums Überleben. Bei zumeist nur sehr schwacher finanzieller Ausstattung und befristeten ABM-Stellen versuchten die Sozialarbeiter das neue Feld der Arbeit mit und für Fußballfans zu ordnen. Sehr bald stellten sie fest, daß ihre Aufgaben und Schwierigkeiten sich sehr ähnelten. Die Finanzierung durch die Kommunen trug aber dazu bei, daß es nur schleppend zu einer organisierten bundesweiten Zusammenarbeit kommen konnte. Erst 1989 wurde die BAG in Dortmund gegründet. Ihre Ausstattung war minimal. Sie beruhte auf der Bereitschaft von zwei Sprechern, ehrenamtlich, und damit unbezahlt, neben ihrer Arbeit in lokalen Projekten, die Interessen der Fanprojekte bundesweit zu organisieren. Als Reiseetat, für Portokosten und zur Organisation von zwei gemeinsamen Tagungen im Jahr standen gerade 15.000 Mark zur Verfügung, die von der Deutschen Sport Jugend (DSJ) beigesteuert wurden.

Dieser lächerlich geringe Betrag steht in krassem Gegensatz zu Interesse und Wertschätzung, die der BAG und der Arbeit der Fanprojekte im Laufe der letzten Jahre entgegengebracht worden sind. Ihre differenzierten Analysen waren angesichts vielfach hektischer Kopflosigkeit und simpler Low-and-Order-Ideen besonders wichtig. Die Dauerkonjunktur des Hooligan-Themas in den Medien machte die beiden jetzigen Sprecher Thomas Schneider in Hamburg und Helmut Heitmann in Berlin zu gefragten Sachverständigen, auch in den Institutionen. So sitzen sie mit Vertretern des Ministeriums für Frauen und Jugend in Bonn in einer Kommission, wo an einem „Nationalen Konzept für Sport und Sicherheit“ gearbeitet wird und verhandeln regelmäßig mit dem DFB. Bezahlen will diese Arbeit aber niemand, es bleibt bei kostengünstigen Belobigungen.

Besonders der Deutsche Fußball Bund, einer der größten und reichsten Sportverbände der Welt, weist eine grundsätzliche finanzielle Unterstützung von Fanprojekten und BAG zurück. Zwar gibt es aus Frankfurt immer wieder Unterstützung für einzelne Aktionen, eine Regelmäßigkeit aber lehnt der Verband ab. Gewalt um den Fußball ist ein gesellschaftliches Problem und keines des Fußballs, heißt die Linie des DFB. Eine geregelte Unterstützung der Fanprojekte dagegen, so muß man das Verhalten deuten, käme einer Anerkennung der Mitverantwortung des Fußballs an der Fußball-Gewalt gleich.

Im Oktober mußte die DSJ „mit echtem Bedauern in der Stimme“ (Schneider) auch die Mini-Summe von 15.000 Mark streichen. Umstrukturierungen durch neue Aufgaben im Osten machten das unvermeidlich. Und auch um die hochfliegenden Konzepte, die in diesem Jahr erarbeitet wurden, sieht es düster aus. Ein Fond-Modell, an dem sich Bund, Länder, Gemeinden, DSJ und sogar der DFB beteiligen sollten, und sogar wollten, ist irgendwo in den Verhandlungen steckengeblieben. In diesen Fond sollten die 2,5 Millionen Mark eingehen, um eine zukünftige Zentrale für Fanarbeit zu gründen. „Alle warten darauf, daß jemand endlich anfängt, aber keiner wagt, als erster einzusteigen“, sagt Thomas Schneider sichtlich frustriert. Dabei ist immer noch von einem 20-Millionen-Betrag die Rede, der vor allem in den Osten fließen soll. Damit sollen in den Kommunen Projekte aufgebaut werden, um der Gewalt bei Jugendlichen entgegenzusteuern. Auch Projekte für Fußballfans sollen dabei sein. „Aber da fehlt es an Wissen, und es gibt niemanden, der die Weiterbildung organisieren könnte“, erklärt der Sprecher der Noch-BAG. So wie es im Moment aussieht, wird es im nächsten Jahr überhaupt keine Stimme für Fußballfans mehr geben. Und einige werden darüber sicherlich nicht ganz unglücklich sein. Christoph Biermann