Serbien droht mit dem totalen Krieg

■ Nur UN-Truppen will die serbische Führung als Friedenstruppen akzeptieren, jedoch nicht europäische

Berlin (taz) — Branko Kostic, der aus Montenegro stammende stellvertretende Staatspräsident, erklärte in einem Fernsehinterview am Montag abend: „Wenn die Vereinten Nationen nicht willens sind, Friedenstruppen zu schicken, sieht sich das Staatspräsidium gezwungen, den Aufstand in Kroatien niederzuschlagen.“ Serbien droht mit dem totalen Krieg, die „Generalmobilmachung“ und die Ausrufung des „Kriegszustandes“ sollen die Antwort sein, wenn die Vereinten Nationen nicht reagieren. Perez de Cuellar erklärte gestern lediglich, ein derartiger Antrag sei von den europäischen Mächten, die im Sicherheitsrat vertreten sind, nicht gestellt worden.

Die Vehemenz der serbischen Aufforderung überraschte auch in Belgrad. Noch vor Tagen hatten serbische Politiker mit Nachdruck alle Überlegungen über den Einsatz von europäischen Friedenstruppen zurückgewiesen. Vom serbischen Interesse her erscheint dies verständlich, wären doch solche Truppen nach Lage der Dinge trotz aller gegenteiligen Behauptungen als Partei anzusehen. Denn die Stimmung in der Öffentlichkeit, vor allem in Deutschland, in Italien, aber auch in Frankreich hat sich zunehmend der kroatischen Seite zugeneigt. Die völlig unakzeptable Stellungnahme von Innenminster Schäuble letzte Woche, in der er den Einsatz deutscher Truppen in Jugoslawien forderte und starke Worte gegen Serbien gebrauchte, hat der serbischen Propaganda gegenüber der deutschen „Gefahr“ neue Nahrung gegeben. So erscheint es durchaus plausibel, wenn die serbische Führung Truppen der Vereinten Nationen europäischen vorzieht. Dagegen ist es kroatisches Interesse, wenn Präsident Tudjman im Gegenzug nach europäischen Truppen ruft.

Aber auch der Einsatz von UN- Truppen war bisher in Serbien abgelehnt worden. Die in Bosnien erscheinende, dem serbischen Lager zuzurechnende Zeitung 'Oslobodenje‘ bemerkte gestern spitz gegenüber dem Positionswechsel in Belgrad, der Ruf nach den Blauhelmen sei das „Ergebnis militärischen Versagens, des finanziellen Bankrotts und einer drohenden politischen Katastrophe. Und die in Belgrad erscheinende 'Borba‘ sieht in der Entscheidung den „Akt der Verzweiflung von Männern, die endlich eingesehen haben, daß sich nationale Probleme mit Gewalt nicht lösen lassen“. Die Boykottmaßnahmen der EG sind offenbar nicht wirkungslos geblieben. Schon vor zwei Monaten erklärte der Belgrader Oppositionelle Pavlusko Imsirovic gegenüber der taz: „Irgendwann wird Milosevic nach UNO-Truppen rufen.“ Dann nämlich, so Redakteure der unabhängigen Belgrader Zeitung 'Vreme‘, „wenn die militärische Lage sich verschlechtert hat und die eroberten Gebiete gehalten werden sollen“. Erich Rathfelder