MIT DEN SOWJETSCHULDEN AUF DU UND DU
: Eine WG für die Sherpas!

■ G-7-Finanzstaatssekretäre reisen erneut nach Moskau

Berlin (taz) — Die Finanzstaatssekretäre der sieben reichsten Industriestaaten sollten eine Wohngemeinschaft gründen. Am 17. November wollen sie sich in Moskau zusammensetzen, um über die Auslandsschulden und eine mögliche Liquiditätskrise der Sowjetunion zu beraten. Damit tagen die Stellvertreter der Finanzminister der USA, Japans, der Bundesrepublik, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Kanadas zum sechsten Mal in zwei Monaten zum selben Thema: Die Sherpa-WG in der sowjetischen Hauptstadt würde zumindest Reisekosten sparen — und vielleicht würden die Herren am Küchentisch ja eher zu jener Geschlossenheit im Handeln finden, die Hilmar Kopper, Chef der Deutschen Bank, und der US-amerikanische Schuldenmanager William Rhodes zu Wochenbeginn öffentlich vermißten.

Kopper und Rhodes wollen der Sowjetunion mit einem Überbrückungskredit helfen, die vorhandenen Auslandsschulden weiter pünktlich abzubezahlen: Wenn ein Land erstmal wegen Zahlungsunfähigkeit wirtschaftlich ins Abseits geraten sei, sei es schwierig, es später wieder zu integrieren, so ihr Argument. Und ein Zahlungsaufschub, wie ihn die USA und Japan bevorzugen, sei der erste Schritt zu dieser Ausgrenzung.

Wenn die zentrale Außenhandelsbank in Moskau nicht mehr zahlen kann, gerät wahrscheinlich der gesamte sowjetische Import ins Stocken: Die Zahlungsgarantien dieser Bank wären nicht einmal mehr ihr Papier wert, die Bundesregierung dürfte keine weiteren Hermes-Bürgschaften mehr geben. Wenn die G-7 es nicht schaffen, für den Liquiditätskrisenfall ihr Hilfspaket zusammenzuschnüren, wäre auch nicht auszuschließen, daß in der Bundesrepublik erneut die Steuern erhöht werden: Die 'Süddeutsche Zeitung‘ rechnete gestern schon mal aus, daß Finanzminister Theo Waigel im nächsten Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag an verbürgten Krediten an die Banken zu überweisen hätte. Allerdings: auch mit einem Überbrückungskredit wären die Ursachen der Probleme der Außenhandelsbank nicht gelöst. Das zentrale Institut agiert hilflos im politikfreien Raum, weil es eine Unionspolitik „faktisch nicht mehr gibt“, so Ulrich Weißenburger, Sowjetunion-Experte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Weißenburger hält einen freiwilligen Zusammenhalt der Republiken, wie im Wirtschaftsvertrag formuliert, für unrealistisch; die Verhandlungspartner der G-7 müßten die Republiken sein.

Bis es da neue Strukturen geben wird, dürfte sich die Wirtschaftskrise in dem Gebiet der Noch-Sowjetunion weiter verschärfen: Devisen kommen immer weniger herein, weil immer weniger von den Exportschlagern Erdöl und Gas produziert wird. Und der Rubel befindet sich im freien Fall: Kürzlich wurden auf einer offiziellen Devisenversteigerung 110 Rubel für einen US-Dollar gezahlt, während vor einem Jahr der Höchstpreis 30 Rubel betragen hatte. Bei der Außenhandelsbank herrscht zudem Unklarheit über die tatsächliche Höhe der Auslandsschulden: Die sowjetische Nachrichtenagentur 'interfax‘ nannte gestern 81 Milliarden Dollar an Schulden, während die G-7 bislang von 68 Mrd. Dollar ausgegangen sind. Der Chef der sojwetischen Übergangsregierung, Iwan Silajew, wiederum beklagte, daß bei allen Rechnungen bislang offenbar verschiedene Rubelkurse zugrundegelegt worden seien. Bis zum Treffen der G-7-Sherpas wollen Silajews Experten deshalb nochmal rechnen — in US-Dollar. Donata Riedel