SPD-Fraktion wählt Klose zum Chef

Erst im zweiten Wahlgang gab es eine knappe Mehrheit für den Schatzmeister der Partei/ Herta Däubler-Gmelin mit 110 Stimmen unterlegen/ Dreßler warf schon zuvor das Handtuch  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Fairer Wahlkampf, knapper Sieg. Hans-Jochen Vogel tauschte am Ende der SPD-Fraktionssitzung seinen Platz mit Hans-Ulrich Klose. Im zweiten Wahlgang schlug Klose die Gegenkandidatin Herta Däubler- Gmelin mit 125 zu 110 Stimmen. Das Ergebnis war mindestens eine kleine Überraschung und eine große Enttäuschung für viele Frauen nicht nur in der SPD-Fraktion, die sich endlich einmal eine Frau in dieser wichtigen Stellung gewünscht hatten.

Die SPD-Fraktion schöpfte die Spannung aus, die die Bewerbung von drei Nachfolgekandidaten für den Fraktionsvorsitz geschaffen hatte. Daß zwei Wahlgänge nötig würden, bis der neue Fraktionsvorsitzende feststand, war angesichts des Kandidatentrios zu erwarten. Nach den jeweils zehnminütigen Vorstellungsreden der drei KandidatInnen Hans-Ulrich Klose, Herta Däubler-Gmelin und Rudolf Dreßler waren deutliche Präferenzen nicht erkennbar, das Echo der Fraktion war so ausgewogen wie die Reden selbst.

Klose wies sich in dem kurzen Wahlkampf seit Vogels Rücktritt als einer aus, der „kein lauter Typ“ sei und für Dialog stehe. Der jetzige Schatzmeister der SPD bezeichnete die Erfahrung des Rücktritts für ihn als genauso wichtig wie die im Amt. Klose war vor zehn Jahren als Erster Bürgermeister in Hamburg zurückgetreten, als er sich mit seiner Gegnerschaft gegen das AKW Brokdorf nicht durchsetzen konnte. Klose befürwortete eine „wertorientierte Reformpolitik“.

Däubler-Gmelin, deren Chancen vorab allgemein als am besten eingeschätzt wurden, ließ in ihrer Vorstellung Fortentwicklungsbedarf für die SPD erkennen: in der Familien-, Umwelt- und Außenpolitik. Die SPD müsse sich wieder programmatische Vorsprünge erarbeiten. Die „erste“ Frau der SPD, die 1988 auf dem Quotenparteitag zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde und Vogels erste Stellvertreterin in der Fraktion war, wollte außerdem Umstellungen für die bisher fachorientierte Arbeit der Fraktionsführung durchgesetzt wissen.

Rudolf Dreßler konnte sich das Duo Engholm/Dreßler als gutes „milieuübergreifendes Gespann“ vorstellen und begründete seine Kandidatur mit der überragenden Bedeutung der Wirtschafts- und Sozialpolitik in den nächsten Jahren.

Im ersten Wahlgang fand niemand die notwendige absolute Mehrheit. 236 Abgeordnete stimmten ab, davon 104 für Herta Däubler-Gmelin, 84 für Hans-Ulrich Klose. Der eher den Traditionalisten zugeordnete Dreßler erhielt nur 46 Stimmen und zog seine Kandidatur ohne weitere Wahlempfehlung zurück.

Klose, der seine Kandidatur erst mit einigen Tagen Verzögerung eingereicht hatte, konnte offenbar davon profitieren, daß viele in der Fraktion weder mit Dreßler noch mit Däubler-Gmelin so recht glücklich werden konnten. Der Schatzmeister der SPD gilt im Unterschied zu den beiden anderen als „Generalist“, bringt aber aus seiner Hamburger Zeit Regierungserfahrung mit. Obwohl mit Lafontaine verbunden und der Strömung der Modernisierer zugerechnet, war Klose „flügelübergeifend“ wählbar. Vor der Presse gab Klose neben den üblichen Fairneß- und Dankesbekundungen als politische Zielsetzungen an, die „Handlungsfähigkeit des Staates trotz knapper Kassen erhalten“ zu wollen und die Partei „in der Zeit des Umbruchs auf die neue außenpolitische Lage“ einzustellen.