Schwachsinn statt Unsinn

■ »Non(n)sens«, ein überflüssiges Nonnen-Musical, in der Komödie am Kurfürstendamm

Es ist gar nicht einfach, den Begriff »Nonsens« in all seinen Schattierungen zu definieren: mit »Unsinn« könnte man ihn übersetzen, jedoch ohne dabei die mitschwingende, zweite Ebene zu treffen. Klamauk, Kalauer, Blödsinn — das sind alles höchstens Kleineinheiten des großen Überbegriffes. Am besten zeigt man den Nonsens in Aktion, und wer könnte das besser als die Engländer, die dieser Gattung letztes Jahrhundert ihren Namen gaben? Von Shakespeare bis zu den Monty Pythons gibt es wunderbare Beispiele, wie sich durch unangemessene Reaktionen und absurde Konstellationen logische Zusammenhänge zersetzen und den Betrachter verwirren. Lange Zeit war der Nonsens den Trivialmedien vorbehalten; inzwischen — times are changing — ist er nicht nur salonfähig geworden, sondern wird gern als Deckmäntelchen für die Art Kunstquark mißbraucht, zu der den Machern wohl selbst nicht mehr viel einfällt. Unter Nonsens glaubt man nun alles, was »irgendwie nur doof« ist, verhökern zu können.

Das versucht auch die Komödie am Kurfürstendamm mit ihrer Inszenierung des amerikanischen Beitrags zu Non(n)sens. Dan Goggin heißt der Autor dieses langweiligen Nonnen- Musicals, und angeblich beruht seine Geschichte auf »eigenen, positiven Erfahrungen, die er in Kindheit und Jugend im Kreise von Nonnen« gemacht habe. Die um die Songs gebastelte Geschichte ist reichlich dürftig: Wegen der Bouillabaisse von Schwester Julia mußten 52 Nonnen den Löffel abgeben. Bevor die letzten vier bestattet und damit zur Auferstehung freigegeben wurden, kaufte Mutter Oberin einen Videorecorder. Der nun war so teuer, daß die verblichenen vier Schwestern in einer Kühltruhe des Klosters auf ihre ewige Ruhe warten müssen — das Geld ist futsch, das Kloster arm. Die Gesundheitsbehörde rückt ihnen auf den Pelz, die toten Schwestern müssen raus aus der Kühlbox. Die letzten Klosterinsassen versuchen Geld aufzutreiben und plaudern nebenbei aus ihrer Geschichte: wie sie die »Hottentotten« zu missionieren versuchten und ihre Angst vor Leprakranken bewältigten (»Beim Händeschütteln mußte man befürchten, eine Hand zuviel oder zuwenig zu haben, harrharr!«).

Das war sie schon, die herzlich uninteressante Geschichte von Non(n)sens. Eine Geschichte, die von dummen Klischees und Vorurteilen lebt und deren Komik nur für ganz Hartgesottene keine brechreizerregende Wirkung hat. Die Inszenierung von Anna Vaughan setzt da noch mal einen drauf: Heißa, was dürfen sie fröhlich und ausgelassen sein, die letzten fünf Nonnen, so widerlich-kumpelhaft, so ausgeflippt und jovial. Eine jede schildert ihre Lebensgeschichte, trällert dazu ein paar Liedchen und darf sich auch schon mal im Miniröckchen oder auf Rollschuhen präsentieren. Hier und da wird aufs plumpste geklaut — Andrew Lloyd Wabbel läßt grüßen, darum ist's nicht schade, aber auch an »Cabaret« vergreift man sich. Thomas Zieglers scheußliches Bühnenbild ist eine Mischung aus Sektengruft und Teenie-Disco mit Stroboskop-Licht (wenn's mal so richtig heiß hergeht!) und einer »echten« Musical-Showtreppe zum Paradieren und Dummquatschen.

Eine gelungene Zusammenstellung — da paßt grauslich alles zueinander, und auf jeden Fall zu den Zuschauertypen »Schmierbauch« und »Wellpappe-BH«, die ihre Idee von Komik aus Supernasen und Blauem Bock beziehen und »Nonsens« mit »völliger Schwachsinn« übersetzen. Typisch deutsch, eben, ein Schuß Stammtisch, gemixt mit Fast-Food- America.

Anja Poschen