„Dogfight“ in der Festhalle

Boris Becker verliert sein Auftaktmatch der ATP-Weltmeisterschaft gegen Andre Agassi in zwei Sätzen/ Ivan Lendl begeistert die Massen und läßt dem Franzosen Guy Forget keine Chance  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Am Montag bei der „Round Table“-Vorstellung der acht Tennis-Asse, die noch bis zum Sonntag in der Frankfurter Festhalle im Kampf um die Kristallkrone der ATP-Tour-Weltmeisterschaft das Racket schwingen, spielte Boris Becker noch den coolen Citoyen: Während sich die Kollegen des Monegassen mit dem deutschen Reisepaß im offiziellen Kreissparkassen-Outfit der ATP-Herrenschneider den knapp tausend Journalisten zum Smalltalk stellten, hing „uns Boris“ im braunen „Borsalino“-Anzug lässig im Sessel — da fehlte nur noch die Zigarre und die Wumme: „Mir haben die Hosen nicht gepaßt“, meinte Becker auf Vorhaltungen eines britischen Journalisten. Und als die laufende Nummer drei der Weltrangliste dabei breit grinste, ließ Tischnachbar Andre Agassi seine Kaugummiblase platzen: „Päng!“ „Wir verstehen uns halt gut, weil wir ein bißchen anders sind als die andern“, sagte Becker.

Als der 21jährige Agassi aus Las Vegas dann am Dienstag um 22.55 Uhr seine Cowboystiefel aus- und die Tennisschuhe angezogen hatte, um seinem Bruder im Geiste einen „dogfight“ (Agassi) zu liefern, waren die lockeren Sprüche vom Vortag schnell vergessen. Daß es eine anstrengende „Midnight-Session“ (Becker) werden würde, wußten beide Cracks. Und weil sie nicht bis zum Morgengrauen spielen wollten, holzten sie sich die Aufschläge um die Ohren, daß es an den Banden nur so krachte. Zwei Schwerathleten lieferten sich einen gnadenlosen Fight — und ab und zu wurde auch brillantes Tennis gespielt.

Im dritten Spiel des ersten Satzes punktete der Mann aus der Zockerstadt in Nevada ausschließlich mit Assen, während Becker seine ersten Aufschläge meist ins Netz drosch. Da stand es schon 3:0 für den US- Amerikaner. Und B.B. haderte mit sich und der Welt: „Scheiße! Das war doch wieder nichts!“

Nach dem ersten Satz (6:3 für Agassi) hatte Becker schon zwei Shirts durchgeschwitzt und den ihn frenetisch anfeuernden Zuschauern sein schier unerschöpfliches Reservoire von Fehlschlägen gezeigt: Doppelfehler, Netzschläge in Serie, verzogene Returns — und Agassi zog unberührt von Beckers Wutausbrüchen seine Kreise. Im zweiten Satz riß sich der Leimener dann am Riemen, doch Agassi hielt dagegen. Der Mann in Pink wehrte im vorentscheidenden dritten Spiel gleich drei Breakbälle ab und konnte das Spiel schließlich noch für sich entscheiden. Nervlich am Ende war Becker dann im elften Spiel, als er mit einem einfachen Heber, der im eigenen Feld landete, seine letzte Breakchance vergeigte. Agassi breakte im Gegenzug, gewann seinen eigenen Aufschlag und hatte das Match im Sack: 6:3 und 7:5 — und „Borsalino“-Becker schlich wie ein geprügelter Hund vom Court.

Ein ganz anderes Spiel hatten die knapp 10.000 Fans in der blau ausgeschlagenen Festhalle mit dem „medium-fast-carpet“ in den Abendstunden gesehen. Stehende Ovationen gab es da für Ivan Lendl, den „Grand old man“ (31) des Herrentennis, gegen den Aufsteiger Guy Forget (26) nicht den Hauch einer Chance hatte. Der in Casablanca geborene Franzose aus Neuchatel in der Schweiz verbeugte sich nach dem Match vor „Ivan dem Großen“, der offenbar in der Form seines Lebens ist. So elegant und doch effektiv wie der Tschechoslowake, schlug bislang kein anderer Spieler den Filzball übers Netz.

Nur einmal kam Lendl aus dem Rhythmus: Da kopierte Forget demonstrativ den Stil des seit elf Jahren unter den Top Ten der Rangliste spielenden Altmeister aus Ostrava — und der irritierte Lendl erwischte den Return des Franzosen mit dem Schlägerholz. Doch das war nur ein Zwischenspiel auf dem Weg des ungekrönten Preisgeldkönigs — 18 Millionen Dollar im Verlauf der Karriere — zum schnellen Sieg. Mit 6:2 und 6:4 fertigte Lendl seinen Auftaktgegner in der Ilie-Nastase- Gruppe ab. Da verkaufte sich der Mann, der von den Fachjournalisten bereits als „Fallobst“ apostrophiert worden war, weit besser als der Franzose (Motto: „Never forget Guy Forget“).

Der aufgrund der Verletzung von Weltranglistenführer Stefan Edberg in das Achterfeld nachgerückte Karel Novacek lieferte Jim Courier ein beinhartes Match, das der US-Amerikaner nur mit Glück letztendlich noch mit 6:7, 7:5 und 6:4 gewinnen konnte. Er sei „müde von der langen Saison, und froh, nicht im Davis Cup spielen zu müssen“, bekannte Courier auf der obligatorischen Pressekonferenz nach dem Spiel. Wenn die anderen US-Boys im Dezember in Lyon gegen Frankreich die „Ehre der Nation“ verteidigen, liegt Jimmy Courier lieber „on the beach“. Der Mann aus Florida demonstrierte Selbstbewußtsein: Sein Vater sei sein bester Trainer und heiße mit Vornamen auch Jim — „but I'm not Junior.“

In der John-Newcombe-Gruppe muß jetzt Boris Becker seine beiden letzten Vorrundenspiele gegen Pete Sampras und Michael Stich gewinnen, um ins Halbfinale vorstoßen zu können. Für die beiden andern Looser des ersten Spieltages ging es gestern Abend — nach Redaktionsschluß — dagegen schon um die Wurst: Forget gegen Novacek hieß die erste Partie des zweiten Weltmeisterschaftstages. Der Verlierer kann danach schon einmal die Tennistasche packen. Im zweiten Spiel hatte dann Michael Stich seinen ersten Auftritt bei einem ATP-Masters. Sein Gegner hieß Pete Sampras aus Rancho Palos Verdes (USA).