Ordentlich durchlüften!

■ Mit der Hanauer Atomakten-Manipulation liegen nun ungeahnte Kumpaneien offen

Ordentlich durchlüften! Mit der Hanauer Atomakten-Manipulation liegen nun ungeahnte Kumpaneien offen

Fast ein Dekade ist es her, da beklagte Klaus Traube die menschelnden Defizite der atomrechtlichen Genehmigungsprozeduren in diesem Lande. Das Problem bestehe darin, daß Kontrolleure und Kontrollierte über Jahre hinweg zusammenglucken. Amtliches Mißtrauen schwinde so fast naturgesetzlich dahin, ersetzt durch Männerfreundschaften. Am Ende sei es beinahe gleichgültig, auf welcher Seite einer stehe im Prozeß der Genehmigung hochbrisanter Atomanlagen. Der Mann mußte es wissen. Schließlich stand er einmal im Sold der Siemens-Tochter Interatom, bevor er — einmalig bis heute — zu einem der kompetentesten Kritiker der Atomenergie konvertierte.

Es darf füglich bezweifelt werden, daß Traube seinerzeit auch nur ahnte, in welch sumpfige Niederungen der Weltkonzern Siemens Arm in Arm mit seinen angeblichen Kontrolleuren im skandalträchtigen Hanau noch marschieren würde. Man stelle sich in Deutschland (!) einmal vor: Der Häusle-Bauer hat sein neues Heim auf dem Lande höher, tiefer oder breiter errichtet, als das Bauamt erlaubt. Das Bauamt schickt nicht die Abrißfirma, sondern die Unterlagen — damit die amtliche Genehmigung der Realität angepaßt werden kann. Was im Fall des Eigenheims undenkbar scheint, ist im Fall eines Unternehmens, das immerhin tonnenweise mit Plutonium hantiert, nur wenig mehr als Routine. Ein Rest von Unrechtsbewußtsein, vielleicht auch ein gerüttelt Maß an krimineller Energie muß dennoch über der Szene gelegen haben, als Siemens seinen Umzugs-Lkw zum Aktenverschub nach Wiesbaden losschickte. Anders ist der unverschämt-dreiste Versuch, die ganze Aktion nach ihrem Auffliegen als Lösung eines „Raumproblems“ im Hause Weimar zu verkaufen, nicht zu erklären. Erst als unzweifelhaft feststand, daß Weimars grünem Nachfolger die verräterischen Randnotizen in den Akten nicht entgehen würden, entschloß sich der Weltkonzern zur Flucht nach vorn. Von „Aktualisierung“ ist nun die Rede. Eine Begrifflichkeit von wahrhaft Orwellscher Qualität.

Was kann man tun? Atomkraftgegner werden voraussichtlich, wie in solchen Fällen üblich, die laut Atomgesetz erforderliche „Zuverlässigkeit“ der Hanauer Manager anzweifeln. Zum wievielten Mal eigentlich? Joschka Fischer wird (hoffentlich) prüfen, ob mit dem hessischen Aktenumzug die Genehmigung für die Plutoniumfabrik hinfällig geworden ist. An der von Klaus Traube beklagten Kumpanei der Kontrolleure und der Kontrollierten allerdings wird sich wenig ändern, solange die Antragsteller in den Behördenstuben auf ihresgleichen treffen. Die Lehre aus Hanau muß also lauten: Ordentlich durchlüften, überall im Lande. Kompetente Kritiker rein in die Amtsstuben und dann wird geprüft — „streng nach Recht und Gesetz“, versteht sich. Gerd Rosenkranz