Die Organisatoren des Wiederaufbaus

Zwischen den Machtansprüchen Tokios und Pekings verhandelt Sihanouk Kambodschas Zukunft/ Politische Schutzmacht des Prinzen ist China — doch Japan lockt mit Yen und dem „Modell Mongolei“  ■ Aus Tokio Georg Blume

Wenn Prinz Norodom Sihanouk heute als alter und neuer Herrscher Kambodschas in seine Heimat zurückkehrt, dann kommt er nicht allein. Hinter ihm folgt ein Treck von UNO-Emissären, Entwicklungshelfern, Unternehmenskundschaftern und Diplomaten aus aller Welt, die alle das neue Kambodscha ein wenig mitregieren möchten.

Wer genau hinschaut, wird besonders viele Japaner und Chinesen im Gefolge des Prinzen entdecken. Denn unter dem Dach des wiederauferstehenden Königreichs Sihanouks werden sich schon bald Japan und China einen erbitterten Kampf um die regionale Vorherrschaft liefern. In Japan herrscht die Überzeugung, daß derjenige von beiden, der in Kambodscha der Stärkere sein wird, maßgeblich über die politische Neuordnung Asiens nach Ende des Kalten Krieges entscheidet. Denn die USA befinden sich hier auf dem Rückzug, und die Sowjetunion hat ihren Einfluß schon verloren.

„Wir sind die Organisatoren des Wiederaufbaus“, protzt Teruyuki Ishikawa, ein Sprecher des japanischen Außenministeriums. Mit stolzer Stimme zitiert der Fachdiplomat den Pariser Friedensbeschluß vom 23. Oktober, in dem bereits der Ort für die Wiederaufbaukonferenz zugunsten Kambodschas im nächsten Jahr festgelegt ist: Tokio natürlich. „Die Welt“, schwärmt alsbald der japanische Diplomat, „erwartet von Japan, daß es das größte Geberland für Kambodscha sein wird. Dem wollen wir nachkommen. Wir vom Außenministerium verhandeln bereits mit unserem Finanzministerium um die bereitzustellenden Summen.“

Selten zeigt die japanische Diplomatie so wenig Zurückhaltung wie dieser Tage in der Kambodscha- Frage. In Kambodscha will Japan die vietnamesische und vor allem chinesische Einflußnahme auf die Region abwehren. Doch der Erfolg des japanischen Vorhabens ist keineswegs garantiert. Der vietnamesisch-chinesische Gipfel in Peking vergangene Woche signalisierte, daß die Neuordnung der regionalen Bündnisse in Asien gerade erst begonnen hat.

Prinz Sihanouk ist nämlich Pekings Mann. Hier, und nicht in Tokio, hatte der Prinz sein Exil. Nichts stört die Diplomaten im japanischen Außenministerium mehr als die offenkundige Bevorzugung, die Sihanouk den Chinesen zukommen läßt. Die japanische Devise lautet deshalb: Vom chinesischen Kommunismus kann Kambodscha nicht reich werden. Statt dessen bietet Tokio der neuen Regierung in Phnom Penh ein konkretes Entwicklungsprogramm an. „Unser Plan für Kambodscha“, verspricht das Außenministerium, „wird am Beispiel der Mongolei bereits vorexerziert. Die Ergebnisse sprechen für sich.“

Tatsächlich koordiniert das japanische Außenministerium heute die internationalen Hilfsmaßnahmen für die Mongolei und hat zu diesem Zweck erst im September ein Treffen mit Vertretern der G-7-Staaten, Weltbank und IWF abgehalten, bei dem annähernd 250 Millionen DM für die verarmte Volksrepublik in Zentralasien bereitgestellt wurden. Solche Aufbaupolitik, meinen die japanischen Diplomaten, sei ihnen in den Schoß gelegt. Schließlich verfüge ihr Außenministerium über das größte Entwicklungshilfebudget der Welt und gebe Japan selbst die besten Beispiele für erfolgreiche Wiederaufbaumaßnahmen nach dem Krieg.

„Kein Japaner“, so pflichtet die führende Tokioter Wirtschaftszeitung 'Nihon Keizai Shinbun‘ bei, „wird sich daran stören, wenn sich unser Land mit aller Kraft für das tragische Schicksal Kambodschas engagiert.“

Bislang freilich lag diese Tragik den Japanern fern. „Japan“, erklärt der ehemalige Topdiplomat und China-Politiker Motofumi Asai, „ist in Kambodscha ein Newcomer.“ Asai erklärt, warum Japan auch nach Ende des Kalten Krieges Schwierigkeiten im Engagement für Kambodscha hat: „Der eigentliche Streit um die Kambodscha-Lösung liegt heute zwischen den westlichen Wiederaufbauplänen und den asiatischen. Denn der Westen besteht im Zweifelsfall auf dem Prinzip der Menschenrechte, doch China, ebenso wie die südostasiatischen Staaten, beharrt auf dem Prinzip der Nichteinmischung.“ Die japanische Diplomatie, so prophezeit Asai, wäre im erneuten Streitfall über Kambodscha nicht in der Lage, zwischen China und dem Westen eine eigene Position zu bestimmen, und könnte deshalb kaum nachdrücklichen Einfluß auf die Politik von Prinz Sihanouk ausüben.

Doch gegen alle Zweifel hält Japan ein Wundermittel bereit: japanische Yen. Ohne die wird in Kambodscha schon von Anbeginn des neuen Zeitalters nicht viel laufen. Ob Flüchtlingsprogramme, Straßenbau oder Reindustrialisierung — alle konkreten Maßnahmen, die Kambodscha derzeit benötigt, haben weniger mit strategischer Machtpolitik denn mit ausreichendem Geld zu tun. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß sich Prinz Sihanouk schon bald nach seiner Ankunft dafür entscheidet, die Chinesen zwar weiter zu hofieren, doch die Geschäfte den Japanern zu überlassen.