INTERVIEW
: Gesetz zu Lasten der Pressefreiheit

■ Ulrike Kaiser ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Journalisten- Verband/ Auch der Änderungsentwurf räumt die Bedenken von Zensur nicht aus

taz: Hat der massive Protest der Medien, der Journalistenverbände, der BürgerrechtlerInnen aus der DDR nicht doch etwas bewegt?

Ulrike Kaiser: Es hat meines Erachtens insofern eine Kurskorrektur gegeben, als daß der Bundesbeauftragte für die Stasi-Akten jetzt bestimmte Unterlagen zur Verfügung stellen muß. Das heißt, die Veröffentlichung bestimmter Stasi-Informationen bedarf nicht mehr der Erlaubnis der Gauck-Behörde. Doch im Prinzip hat diese nach wie vor einen Ermessungsspielraum.

Können Sie ein konkretes Beispiel geben?

Man kann zum Beispiel darüber streiten, da sind ganze Gerichte mit beschäftigt, wer eine Person der Zeitgeschichte ist, wer Begünstigter des Staatssicherheitsdienstes war. Das ist eine Frage, die in jedem Einzelfall entschieden werden muß, und das ist natürlich problematisch. Es bleibt zum Beispiel auch bei der Strafandrohung (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) für denjenigen, der von diesem Gesetz geschützte Originalunterlagen oder Duplikate von Originalunterlagen mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte im Wortlaut mitteilt, sofern jene die Veröffentlichung nicht genehmigt haben.

Das heißt, in der Gesetzesvorlage gibt es weiterhin jede Menge Paragraphen und Absätze, die die Pressefreiheit einschränken. Für was plädieren Sie?

Man braucht keine besonders ausgewiesenen gesetzlichen Regelungen, da bei der Presse ohnehin Personenschutzrechte geachtet werden müssen. Zivil- und Strafrecht, wie auch die publizistischen Grundsätze, die wir als Presse zu beachten haben, regeln den Schutz personenbezogener Informationen. Ich will hier nicht über Paragraphen streiten, weil ich denke, daß das Thema viel zu sehr mit juristischer Spitzfindigkeit diskutiert wird. Ich sehe eher den medienpolitischen Aspekt. Zum Beispiel gibt es ein verfassungsrechtlich geschütztes Redaktionsgeheimnis und es ist schlechterdings ein Unding, daß man Journalisten zwingt gegen dieses Redaktionsgeheimnis zu verstoßen.

Das ist doch jetzt in dem zweiten Entwurf geändert.

Nein, das ist nicht geändert worden, es steht immer noch drin, daß Journalisten das ihnen zugespielte Material der Behörde übergeben müssen, auch Kopien, die einzige Ausnahme ist die eigene Abschrift. In den Erläuterungen dazu heißt es, daß darunter Notizen zu verstehen sind, die ich mir über die entsprechenden Unterlagen gemacht habe. Kopien muß ich nach wie vor abgeben, das ist gegenüber dem alten Gesetzentwurf überhaupt keine Änderung. Der Innenausschuß hat sich zwar intensiv mit den Stasi-Akten beschäftigt, was sicherlich verdienstvoll ist. Aber er hat auch zugegeben, daß das Presserecht in den Beratungen eine Nebenrolle gespielt hat, daß es nicht in vollem Umfang beraten worden ist, was sie damit im Presserecht anrichten. Das vesuchen sie jetzt nach und nach zu testen, um dann schnell nachzubessern. Das wird eine solche Flickschusterei, die der Presse und dem Stasi- Unterlagengesetz in keiner Weise gerecht wird.

Sie haben sich dagegen ausgesprochen, daß diese Gesetzesvorlage am Donnertag so ad hoc, in einem Schnellverfahren, verabschiedet wird. Warum?

Die Pressefreiheit ist viel zu wichtig, als daß man sie in einem solchen Schnellverfahren in Frage stellen sollte. Ich bin sicher, etliche der Paragraphen, in dem jetzt vorliegenden Entwurf, würden mit Sicherheit vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden.

Ist der Deutsche Journalistenverband in die Diskussion um die Gesetzesvorlage zum Stasi-Unterlagengesetz mit einbezogen worden?

Nein, Erst am Montag wurden wir zu einem Expertengespräch eingeladen — kurzfristig übrigens. Wir haben mittags eine Einladung bekommen und nachmittags fand das Expertengespräch statt. Diesen Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, FDP und SPD, der eingebracht worden ist, den haben wir erst über Dritte bekommen — noch nicht mal von den entsprechenden Stellen selbst. Wir müssen uns unsere Informationen sehr mühsam zusammensuchen, wir waren zu keiner Anhörung geladen in diesem Verfahren. Das Gespräch führte Michaela Eck