Mehr Diäten — kein Feierabend?

Hamburger Bürgerschaft bedient sich selbst/ Diäten wurden mehr als verdoppelt  ■ Von Jürgen Oetting

Hamburg (taz) — Fünf Monate hat die hamburgische Bürgerschaft gebraucht, um das erste Gesetz dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen: eine Gehaltserhöhung für sich selbst. Nach monatelangem Streit im Vorfeld der Entscheidung und kontroverser Debatte im Stadtparlament hat die Bürgerschaft am Mittwochabend die umstittene Erhöhung der Abgeordnetendiäten und -pensionen in erster Lesung beschlossen.

Danach sollen ab dem 1. Dezember einfache Abgeordnete statt einer steuerfreien Pauschale von 1.920 Mark monatlich eine steuerpflichtige Diät von 3.900 Mark und eine Aufwandsentschädigung von 600 Mark erhalten. Hauptberufliche Parlamentspräsidenten und Fraktionsvorsitzende werden den Senatoren gleichgestellt und bekommen 19.500 Mark im Monat. Darüberhinaus beschloß man eine Pensionsregelung, die manchen Parlamentarier zum Krösus machen wird.

Besonders die Pensionsregelung für Präsidenten und Fraktionsvorsitzende entzündete die öffentliche Kritik. Dieser Personenkreis erreicht mit dem neuen Gesetzt bereits nach dreieinhalbjähriger Amtszeit einen Rentenanspruch von 62 Prozent. Massive Proteste und Aufruhr an der sozialdemokratischen Basis sorgten im September dafür, daß die SPD- Fraktion kurz vor der ersten Lesung einen Rückzieher machte. Nachdem sich die Wogen der Kritik geglättet hatten, legte die große Diätenkoalition aus SPD und CDU gestern ein unmaßgeblich verändertes Antragspaket vor, das mit den Stimmen der beiden Großfraktionen verabschiedet wurde. Die SPD hätte die Diäten selbstständig nicht erhöhen können, denn sie ist an eine Verfassungsänderung gekoppelt, die einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Mit dieser Verfassungsänderung wurde die Ehrenamtlichkeit der Abgeordneten aufgehoben und der erste Schritt zur Abkehr vom Feierabendparlament getan.

Bei der Abstimmung votierten CDU und SPD für das Gesetzespaket, nur ein sozialdemokratischer Abgeordneter scherte aus und stimmte dagegen — genau wie die neunköpfige Grünen-Fraktion. Die Grünen wollen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Pensionsregelung klagen. Die FDP-Abgeordneten enthielten sich ihrer Stimme. In der Debatte ging der FDP-Landesvorsitzende Robert Vogel am härtesten mit der Mehrheit seiner Parlamentskollegen ins Gericht. Er sagte: „Nachdem die 14. Legislaturperiode nun ein knappes halbes Jahr alt ist, muß festgestellt werden, daß die Bürgerschaft bisher ausschließlich in eigener Sache gesetzgeberisch tätig geworden ist. Das liegt nicht etwa daran, daß diese Stadt keine anderen Probleme hätte. Das liegt daran, daß die Initiatoren des Diätengesetzes ihr Versorgungsrecht unbedingt zuerst beschlossen wissen wollten.“ Vogel stimmte als einziger Liberaler mit den Grünen gegen die Vorlage.