Kernfusion-betr.: "Kontrollierte Kernfusion gelungen", taz vom 11.11.91 und "Bei Kernfusion ist ein Super-Gau nicht auszuschließen" (Interview Kollert), taz vom 12.11.91

betr.: „Kontrollierte Kernfusion gelungen“, taz vom 11.11.91

Leider, leider fällt auch die taz auf den Propagandacoup der Fusionslobby herein, schlimmer noch, die recht sachliche Presseerklärung des „Joint European Torns“ (JET) wird in der ap-Version noch aufgebauscht zur geglückten Stromerzeugung durch Kernfusion. Davon ist man noch Lichtjahre entfernt! Die bei dem jetzt gefeierten Experiment erzeugte Energie entspricht etwa der Energie, die die Sonne in einer Stunde auf eine kleine Fensterscheibe einstrahlt, mehr nicht.

Neu war, daß zum ersten Mal das radioaktive Tritium, allerdings noch in einem sehr geringen Anteil, in der „Brennstoffmischung“ mitverwendet wurde. Bei näherem Hinsehen und ohne die Leistung der beteiligten Wissenschaftler schmälern zu wollen, handelt es sich also keineswegs um einen Durchbruch, wie die Zeitungsmeldung signalisiert, sondern nur um einen ganz kleinen Schritt auf dem langen, steinigen Weg zur kontrollierten Kernfusion, der mit noch viel größerer Wahrscheinlichkeit in der Sackgase enden wird, als die Nutzung der Kernspaltung.

Warum also gerade jetzt der Paukenschlag in Fernsehen, Rundfunk und Presse? Demnächst steht die Entscheidung über die Beteiligung an dem internationalen Großexperiment ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) an, dessen Kosten, wenn es sich überhaupt als realisierbar erweist, auf mindestens zehn Milliarden Dollar geschätzt werden.

Auch die Optimisten sprechen von einem Zeitraum von mindestens 50 Jahren zur Entwicklung des kommerziellen Fusionsreaktors. Dabei ist noch gar nicht absehbar, ob die technischen Probleme überhaupt gelöst werden können (ein herkömmliches Kernkraftwerk ist demgegenüber ein simples technisches Gerät), von einem ökonomisch sinnvollen Betrieb ganz zu schweigen. Von der Ökologie reden wir lieber gar nicht erst, denn die Fusion ist keineswegs die „saubere“ Kernenergie, als die sie gerne hingestellt wird. Vielmehr fallen riesige Mengen an radioaktiven Baumaterialien an, die wegen der hohen Strahlenbelastung regelmäßig ausgestauscht werden müssen. Und die sichere Handhabung des radioaktiven Tritiumgases, das, in Wasser eingebaut, dann in der belebten Natur auftaucht, ist noch ein großes Problem.

Wenn die Steuerzahlerin nicht aufmuckt, werden noch viele Milliarden verpulvert werden, bis der erste Prototyp des Fusionsreaktor als Investitionsruine endgültig eingemottet wird. Gertrud Diel, Mainaschaft

betr.: „Bei Kernfusion ist ein Super-Gau nicht auszuschließen“, (Interview Kollert),

taz vom 12.11.91

Dem Urteil des Bremer Atomgutachters Roland Kollert ist nur zuzustimmen. Es gibt auch keine saubere Kernfusionsenergie. Und selbst im Normalbetrieb wird jede Menge radioaktives Tritium freigesetzt. Zu viele Fragen um einen heute denkbaren Fusionsreaktor, wenn er denn überhaupt realisierbar ist, sind offen: Völlig unvorhersehbar, weil labormäßig nicht experimentell prüfbar, wäre die Veränderung der Reaktorwände durch die aus dem Plasma emittierte harte Neutronenstrahlung, die zudem umgebende Materialien radioaktiv werden läßt.

Eins ist aber schon jetzt klar: Wenn denn überhaupt Fusionsreaktoren nur in Riesendimensionen realisisert werden können, von 5.000 Megawatt aufwärts. Zum Vergleich: Der Brockdorf-Reaktor hat gerade mal 1.300 Megawatt. Die Kosten eines solchen Reaktors werden die Finanzkraft selbst mittlerer Staatshaushalte überfordern.

Wer will also einen solchen Energiemoloch? Die riesengroßen Firmen der Reaktorindustrie träumen schon von Riesenaufträgen des nächsten Jahrhunderts. Und den Großen der Elektrizitätswirtschaft würde so ein Brummer schön ins zentralistische Konzept passen, daß natürlich dann noch weiter zentralisiert werden muß. Technisch und kapitalmäßig, versteht sich.

Und so wundert es nicht, wenn Brüsseler EG-Zentralisten und Bonner Großtechnologen die Fusionsforschung milliardenschwer subventionieren. Für Energieeinsparung, Effizienzsteigerung und regenerative Energien fallen nur Almosen ab. Dezentrale Energienutzung oder gar am Ende keine mehr verbrauchen? Das riecht nach Autonomie und Selbstbestimmung — und fallenden Dividenden.

Merke: Die herrschende Forschungsförderung ist die Förderung der Forschung der Herrschaft der Herrschenden! Wolfgang Kühr, Essen