Paris und Bonn gegen EG-Blockaden

■ Konsultationen über Politische Union, Jugoslawien, Slowenien und Kroatien

Bonn (taz/afp/dpa) — „Alles oder nichts“ lautet die Alternative, die wie ein Damoklesschwert über den Regierungen der EG-Mitgliedsländer hängt. Ohne Übereinstimmung können die zwölf Regierungschefs bei ihrem Gipfel Anfang Dezember in Maastricht überhaupt nichts auf den Weg schicken — schon gar nicht die Politische Union und die Wirtschafts- und Währungsunion. An dieses Dilemma erinnerte gestern der britische Außenminister Douglas Hurd. Seine Mitteilung, die britische Regierung sei nicht bereit, ihre grundsätzlichen Einwände gegen eine föderale Union aufzugeben, klang wie eine Drohung.

Geeinigt hatten sich die Außenminister bei dem am Mittwoch abend zu Ende gegangenen Treffen auf eine geringfügige Erweiterung der Kompetenzen des Europaparlamentes und darauf, daß die Bundesrepublik wegen ihres Bevölkerungszuwachses künftig 18 zusätzliche Abgeordnete ins Europaparlament entsenden darf. Darüber hinaus blieb es bei den bekannten Blockaden: Es gibt keine Einigkeit über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik; die künftige Rolle der Westeuropäischen Union (WEU) und ganz besonders ihr Verhältnis zur Nato bleiben umstritten; eine engere EG-Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Innen-, Sozial- und Justizpolitik ist ebenfalls nicht konsensfähig.

Die Konfliktlinien verlaufen nicht nur zwischen Kontinent und britischer Insel. Streit gibt es auch um die von Spanien und anderen EG-Ländern geforderten neuen Fonds zum Ausgleich der wirtschaftlichen Unterschiede. Vor allem die Bundesregierung hält die bestehenden Fonds zur Förderung schwächerer Regionen für ausreichend.

Verärgert ist auch das Europaparlament, dessen neue Gesetzgebungsbefugnisse auf einen engen und noch immer umstrittenen Themenkatalog beschränkt werden sollen. Darunter Fragen der Freizügigkeit und des EG-Binnenmarktes, die schon weitgehend geregelt sind, und Forschungs- und Umweltrahmenprogramme — also Entscheidungen, die nur alle paar Jahre anstehen. Parlamentspräsident Enrique Barón Crespo drohte bereits, daß er dem Parlament empfehlen wird, den Entwurf für die Politischen Union abzulehnen.

Dennoch wollen die beiden Hauptinteressenten nicht aufgeben. Ein Scheitern des Gipfels wäre nach Bonner und Pariser Lesart ein „Rückschlag für die EG“. Gestern reiste Frankreichs Staatspräsident Fran¿ois Mitterrand mit großem Troß (13 Minister und 1 Premierministerin) in Bonn an, um den Gipfel vorzubereiten. Bei den zweitägigen Konsultationen mit Kohl soll es auch um die jüngste Entwicklung in Jugoslawien sowie die von Bonn angestrebte Anerkennung Sloweniens und Kroatiens gehen.

Um ein Scheitern des lang angekündigten „historischen Ereignisses“ in Maastricht zu verhindern, macht sich auch der amtierende EG- Ratspräsident und niederländische Ministerpräsident Ruud Lubbers auf die Reise. In der kommende Woche will er in den zwölf Hauptstädten um Unterstützung werben. Neue Probleme könnten die selbstbewußten deutschen Bundesländer machen: Die haben im Bundesrat bereits mit der Ablehnung des Vertrages über die Politische Union gedroht, wenn ihre Mitwirkungsrechte nicht besser gesichert würden. Der Vertragsentwurf, so der bayrische Ministerpräsident Max Streibl (CSU), diene „der Perfektionierung des Zentralismus in Europa“. dora