Afghanische Mudschaheddin in Moskau

■ Innerhalb der afghanischen Widerstandsgruppen ist dieser erste offizielle Kontakt mit der sowjetischen Führung umstritten/ Angesichts der wieder erstarkten Position Nadschibullahs wächst der internationale Druck für eine politische Lösung in Afghanistan

Peshawar/Moskau (taz/afp) — Zurückhaltend äußerten sich Vertreter der afghanischen Exilregierung über die dreitägigen Verhandlungen mit ihren Gastgebern in Moskau, die gestern zu Ende gingen. Immerhin hatte der Leiter der Delegation, „Außenminister“ Burhanuddin Rabbani, die Verlängerung der ursprünglich auf zwei Tage angesetzten Visite damit begründet, daß trotz aller Meinungsverschiedenheiten „kleine Fortschritte“ in der Frage der sowjetischen Kriegsgefangenen und über das gesamte „komplexe“ Problem Afghanistan erzielt worden seien. Nach Angaben der sowjetischen Nachrichtenagentur 'TASS‘ knüpfen die Mudschaheddin die Freilassung der Kriegsgefangenen an den Rücktritt des afghanischen Präsidenten Mohammad Nadschibullah und der Beendigung der afghanisch-sowjetischen Zusammenarbeit.

Innerhalb der afghanischen Opposition war dieser erste offizielle Kontakt mit der sowjetischen Führung höchst umstritten. Rabbani hatte die Reise vor seinem Abflug mit dem Argument begründet, Moskau habe erkannt, daß das Regime Nadschibullahs ohne Legitimität sei. Diese Interpretation wird unter den Mudschaheddin im pakistanischen Exil in Peshawar allerdings bezweifelt, denn Nadschibullah hat in den letzten Monaten seine politische und militärische Position beträchtlich konsolidiert.

Tatschlich sind neben Rabbanis Jamiat-i-Islami nur noch die gemäßigten Gruppen um Mojadidi, Pir Gailani und Mohammed Nabi in der Delegation vertreten. Die beiden radikalislamischen Organisationen um A.R. Sayyaf und M.Y. Khalis — beide ebenfalls Mitglieder der „Sieben-Parteien-Allianz“ in Peshawar — haben die Reise als antiislamisch und als Verrat an den anderthalb Millionen afghanischen Opfern der kommunistischen Invasion verurteilt. Für sie sind die Ereignisse in der Sowjetunion in den letzten zwei Jahren ebenso wie der sowjetische Rückzug aus Afghanistan bloß ein „Trick“, mit dem sich die Kommunisten eine neue Position aufbauen wollen. Auch der Führer der islamistischen Hezb-i-Islami, Gulbuddin Hekmatyar, hatte keine Vertreter nach Moskau geschickt.

Die Gegensätze innerhalb der heterogenen Allianz der exilierten Widerstandsgruppen haben sich durch den Abzug der sowjetischen Armee und die amerikanisch-sowjetische Annäherung eher noch verschärft. In dieser Polarisierung ist allerdings die Position von Hekmatyar beachtenswert, dessen Hezb-i-Islami nach wie vor als politisch und militärisch bedeutendste Widerstandsorganisation gilt. Obwohl er am unerbittlichsten die Errichtung eines radikalislamischen Staates fordert, war seine Argumentation gegen die Teilnahme am Moskau-Besuch relativ differenziert und gemäßigt. Er sei nicht prinzipiell gegen Gespräche mit den Sowjets, ließ er verlauten. Aber er müsse sich zuerst von deren Ehrlichkeit überzeugen. Diese Mittelposition erlaubt es Hekmatyar, die Politik der gemäßigten Gruppen weiterhin zu beeinflussen. So konnte er durchsetzen, daß nicht der „liberale“ Präsident der Exilregierung, Mojadidi, die Delegation anführt, sondern der zumindest islamisch reine Rabbani.

In Peshawar wird spekuliert, daß Hekmatyar auch aus Rücksicht auf Pakistan zum Lavieren gezwungen ist. Das Gastland des Widerstands hat in den letzten Monaten zunehmend deutlicher signalisiert, daß die Exil-Afghanen die Lösung des Konfliktes nicht nur mit kriegerischen Mitteln, sondern auch mit politischen suchen müßten. Nachdem sich Pakistan jüngst in zwei Gesprächsrunden dazu auch der Unterstützung des Iran und der schiitischen Widerstandsgruppen versichert hat, scheint es jetzt auch auf die radikalen sunnitischen Gruppen überzeugen zu wollen, daß die Dialogbereitschaft Moskaus zumindest einer ernsthaften Prüfung wert sei.

Die Exilorganisationen müssen auch auf die rege diplomatische Aktivität Rücksicht nehmen, welche der persönliche Vertreter des UNO- Generalsekretärs, Benon Sevan, von Islamabad aus entwickelt, um den Fünf-Punkte-Vorschlag von Perez de Cuellar als gemeinsame Verhandlungsbasis durchzusetzen. Dessen Annahme durch Nadschibullah hat die Position des Präsidenten innerhalb Afghanistans wie auch im Ausland gestärkt. Die radikale Peshawar-Opposition dagegen hat als einzige am Konflikt interessierte Partei den Vorschlag abgelehnt und droht ins diplomatische Abseits zu geraten. Bernard Imhasly