Ampeldebatte

■ "Wedemeier verrät die SPD"

AMPELDEBATTE

„Wedemeier verrät die SPD“

Die taz stellt während der laufenden Ampelkoalitions-Verhandlungen täglich diesen Platz für Zwischenrufe zur Verfügung.

Cuxhaven ist offensichtlich Wedemeierers Schicksalsort. Vor drei Jahren versammelte er nach einem schwachen Regierungsstart dort den Senat, um angesichts der Haushaltsnot eine neue Politik zu konzipieren. Es blieb bei der alten, nur Posten wurden damals neu verteilt. Diesmal soll Cuxhaven Schauplatz eines Verrats werden. Und danach werden selbstverständlich auch Senatsposten neu verteilt.

Verraten wird das Herzstück sozialdemokratischer Landespolitik, das in Stufen gegliederte Schulwesen. Wo sonst als in der Bildungspolitik erlaubt das föderative System noch Eigenständigkeit. Bremen hat sie genutzt, hat seine Schulzentren aufgebaut und die alte Ständeschule überwunden. In dieser Leistung spiegelt sich die SPD.

Das soll nun anders werden. Isolierte Einzelgymnasien sollen nach dem Willen der FDP her. Und da jedes der verlangten fünf neuen Gymnasien bis Klasse 10 wenigstens 600 Schüler braucht, müssen die aus den Schulzentren heraus, denn freie Schülerreserven gibt es nicht. Auch wenn Jäger das bestreitet, sein Vorhaben zerschlägt die Schulzentren radikal.

Nun ist das beileibe kein Verrat. Jäger kann aber in Cuxhaven nur schulpolitisch auftrumpfen, weil er sich vorher mit Wedemeier abgesprochen hat. Der gibt die Bildungspolitik dem FDP-Zugriff preis, wenn er damit FDP und Handelskammer sich verpflichtet. Der ängstliche Wedemeier verrät die SPD, damit er bei den Etablierten unterkriechen kann.

Noch steht er in der SPD mit der Prinzipienlosigkeit alleine da. Obwohl sie Vieles schlucken mußte, bäumt die SPD sich auf, wenn man ihr gänzlich ihre Würde nimmt. In Vorgesprächen rührte sich keine Genossenhand für Wedemeiers Position. Denn nicht die FDP kann sich die schulpolitische Wende ertrotzen. Rot-Grün kann ohne sie regieren. Sie weiß, wenn sie jetzt nicht auf dem Trittbrett bleibt, kommt lange kein Regierungszug mehr vorbei. Man muß nur pokern können. Wer aber Angst hat, kann es nicht. Darauf setzt Jäger. Er droht Wedemeier, ihn mit den Grünen und Grobecker im Finanzressort im Finanzdesaster allein zu lassen. Das wirkt auf Wedemeier.

Nun muß Scherf kämpfen. Er kann als Schulsenator nicht Liquidator der SPD-Schulpolitik sein. Unterliegt er in Cuxhaven, muß er mit Hoffmann aus dem Schulressort verschwinden, das dann der FDP gehört.

Doch wohin? Der Platz im Senat wird eng für SPD-Männer. Da arrangiert man sich am Ende doch — und macht die SPD-Schule nur ein bißchen tot, mit zwei Einzelgymnasien für die FDP. Der Rest kommt später.

Es ist vertrackt: Die einzigen, denen man Stehvermögen zutraut, sind die Grünen. Die Stufenschule ist auch ihre Schule. Und: Sie sind stark. Es kann nicht ohne sie regiert werden. Wedemeier ist angeschlagen; eine Umorientierung zur CDU — und das noch wegen der Schule — schafft er nicht. Das will auch gar nicht die FDP.

Wer grün vertraut, auf Stärke baut — wenigstens hier. Und dann noch Eins: Nie wieder Cuxhaven. Thomas Franke

Der Autor war von 1983 bis 1990 Bremer Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst.

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