„Neue Gymnasien bewirken Ausgrenzung“

■ Leiter von sechs Bremer Schulzentren: FDP-Plan wäre die falsche Antwort auf das Bremer Wahlergebnis

Schulzentren sind nicht nur integrativ, sondern auch kämpferisch: hier eine Aktion der Gesamtschule OstFoto: Katja Heddinga

Entweder nicht durchdacht oder aber äußerst elitär sei es von der FDP, neben den bestehenden Schulzentren fünf oder sieben durchgängige Gymnasien einzurichten. „Auf jeden Fall wäre dies ein Rückfall in die Steinzeit“, darin sind sich die Schulleiter der Schulzentren einig. Auf Einla

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mit dem Schulfoto

dung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) diskutierten die Direktoren von sechs der insgesamt acht Sekundarstufe-1-Schulzentren im Bremer Süden, welche Folgen die FDP-Forderung nach Gymnasien alten Schlages für das Bremer Schulwesen hätte.

„Alle Ansätze zur Integration würden zur Farce“, erklärte Hans-Dieter Vogt vom Schulzentrum Willakedamm, wo 70 lernbehinderte SchülerInnen der Sonderschule an gemeinsamen Arbeitsgruppen, Kursen oder Klassenfahrten mit den anderen Schulzweigen teilnehmen. „Wenn uns

die Gymnasialschüler abgezogen werden, bleibt die Integration den Haupt- und Realschülern vorbehalten“, sieht Vogt die Katastrophe schon vor sich. Acht Schüler hätten mittlerweile aus der Sonderschule in den normalen Schulbereich zurückgeführt werden können, berichtet er. Mit Sonderschulen, wie die FDP sie fordert, sei dies wohl kaum noch möglich.

Ähnliche Erfahrungen schilderten die Schulleiter von Zentren mit hohem Ausländeranteil. In der Kornstraße zum Beispiel sind 20 Prozent der Gymnasialschüler Ausländer. „Auch Mädchen“, berichtet Heiner Tägtmeyer, Schulleiter des SZ Kornstraße: Wenn die Kinder nämlich in der gleichen Schule blieben, würden die Eltern viel eher einer Veränderung zustimmen.

Zur Zeit wird an 34 Standorten in Bremen gymnasiale Bildung angeboten. Und das inmitten des Stadtteils, der sozialen Umgebung der SchülerInnen. Neue Gymnasien würden die Sek-1- Zentren in Rest-, Haupt- und Realschulen verwandeln. Dies ergebe sich allein durch die Hochrechnungen der Schülerzahlen für die nächsten Jahre. Um in der Neustadt (zum Beispiel in der Schule am Leibnitzplatz) ein vierzügiges Gymnasium überhaupt lebensfähig zu machen, müßten die Schulzentren Butjadinger-, Gottfried-Menken- und Kornstraße ihre Gymnasialschüler abgeben, errechnete Martin Kurp von der GEW. Die Sogwirkung dieser Schulen würde sich bis in die Grundschulen auswirken.

Auch Elternbeiräte und Lehrer-Kollegien haben bereits getagt und sich eindeutig zur „Schule für alle“ bekannt. Am Schulzentrum Hermannsburg haben die Eltern die FDP-Forderung einstimmig abgelehnt und gleichzeitig beschlossen, die integrativen Wahlpflichtangebote weiter auszudehnen. „Die Eltern können sich noch sehr gut erinnern, was es bedeutet, das Gymnasium vielleicht nicht zu schaffen und zur Realschule zurückgeschickt zu werden. Dies wollen sie für ihre Kinder nicht.“

Manfred Meyer (SZ Gottfried- Menken-Straße) erinnerte daran, daß Lehrpläne und Abschlüsse an den Gymnasien die gleichen seien wie an den Schulzentren. „Der Unterschied besteht nur darin, daß 20 Prozent der Bremer Schüler, die Gymnasiasten, dann aus ihrem bisherigen Umfeld ausgegrenzt würden.“ Dabei habe gerade die Bremer Wahl gezeigt, daß im Bereich Integration jetzt besondere Anstrengungen nötig sind: „Aussonderung ist die falsche Antwort auf die Wahl“ (Pit Spieß, Personalrat Schulen).

Außerdem gingen den Schulzentren dann besondere geistige Kompetenzen verloren, sowie engagierte Eltern aus den höheren Bildungsschichten, richteten die Schulleiter ihre Kritik an die SPD, da sie ähnliche Erfahrungen bereits mit den beiden bestehenden Gymnasien machten. „Gerade jetzt, wo die Abwanderung fast völlig aufgehört hat, können wir eine solche Veränderung nicht brauchen.“ Und Norbert Rüppell (Leibnitzschule) ergänzte: „Das Weggehen von den Schulzentren ist inhaltlich nicht zu begründen. Es steckt viel eher ein soziales Ausscheiden dahinter. Die wählen einen Standort, wo sie unter sich sind.“ ra