„Heutzutage ist es nicht viel besser“

■ Vor 50 Jahren aus Bremen deportiert, zum Gedenktag zurückgekehrt: Der Israeli Hans Frank

Wenn der Israeli Hans Frank zurückdenkt an Bremen in Deutschland, kommen ihm zuerst die Stunden vor Augen, in denen er — ein Kind mit Judenstern — die Stadt verlassen hat. „Wir mußten uns auf den Schulhof stellen. Ob ein oder zwei Tage lang, weiß ich nicht mehr. Von da aus ging es zur Eisenbahn“. Was ihn diese Szenen bis heute nicht verschmerzen läßt: Die Menschen auf den Straßen haben weggesehen, sich nicht um den Zug der JüdInnen geschert. „Keiner hat eine Hand für uns gekrümmt. Man hat uns ausgebürgert.“ Hans Frank, gestern während einem Pressegespräch im Staatsarchiv: „Ich will nicht anklagen, aber ich kann auch

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Portraitfoto

Hans Frank...Foto: Jörg Oberheide

nicht ruhig sein. Wenn man unseren Abtransport verhindert hätte, wären wir vielleicht in ein anderes Lager gekommen und hätten überlebt.“

Die Deportation ins weißrussische Minsk an jenem 18. November l941 — am Montag ist sie genau 50 Jahre her — kam einem Todesurteil fast gleich. Hans Frank und sein Vater haben überlebt. Seine Mutter und seine beiden Brüder hat er in Minsk verloren: „Es ist fast niemand zurückgekommen.“

Hans Frank ist heute zweifacher Vater und Großvater und steht noch immer im Arbeitsleben, damit die Rente nicht zu karg ausfällt. Er ist ein Mensch, der Energie ausstrahlt, der gerne lächelt, der sich von den JournalistInnen in der Bundesrepublik Deutschland nicht bestimmen läßt, der sagt, worüber er reden will und worüber er lieber schweigen will und wann das Gespräch beendet ist. Deutsch spricht Hans Frank in Israel nie, auch nicht mit seiner Ehefrau. Sobald er auf das Grauen von Minsk zu sprechen kommt, versagt ihm nach wenigen Sätzen die Stimme.

Hans Frank ist in einem Dorf in der Nähe von Minden/Westfalen geboren. Als er zwölf war, 1938, zog die Viehhändler-Familie nach Bremen. In dem Dorf war es für Juden unerträglich geworden: „Jede Nacht wurden unsere Fenster eingeschmissen, die Hauswand war mit Hakenkreuzen beschmiert, man wollte uns das Haus anzünden.“ Hans Frank hat dennoch als Zwölfjähriger „gar nicht so kapiert, was vor sich ging.“

In seiner neuen Heimat Bremen hat Hans Frank gleich schon Geld verdienen müssen. Seine Erinnerungen an die drei Jahre bis zum Abtransport sind dennoch angenehm: „Die Bremer haben sich uns gegenüber gut verhalten. Keiner hat uns belästigt.“ Er erzählt ein Beispiel: „Wenn ich mit dem Judenstern ins Geschäft gegangen bin — aus Vorsicht zum Hintereingang — habe ich immer mehr bekommen, als auf der Lebensmittelkarte drauf stand.“

Aus Minsk erzählt er in knappen Sätzen: „Mein älterer Bruder hat die ganze Zeit im Lager gearbeitet. Ein oder zwei Tage vor der Massenvernichtung hat er Magenbeschwerden bekommen. Ich bin für ihn eingesprungen, damit er seinen Arbeitslatz nicht verlor. So habe ich überlebt und er nicht.“ Über den Tod der Mutter: „Der Obersturmbannführer Nebe, der Judenschlächter von Minsk, hat Gaswagen bestellt. Die Menschen kamen rein in die Gasautos. Bis der Tod eingetreten ist, hat das fünfzehn Minuten oder eine halbe Stunde gedauert. Die Soldaten, die die Leichen rauszogen, wurden von dem Gas ohnmächtig. Wer nicht tot war, auf den wurde eine Handgranate geworfen. Einmal, als mein Vater und ich das Geschrei der Sterbenden hörten, sagte mein Vater zu mir: 'Junge, wen Du da hörst, das ist Deine Mutter.‘“

Am Ende des Krieges war Hans Frank „nur noch Haut und Knochen. Ich habe 27 Kilo gewogen.“ In einem amerikanischen Militärhospital kam er wieder zu Kräf

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mit dem Mann auf

der Straße

...zurück in BremenF: Scheffel

ten. Hans Frank kehrte zunächst zu seinem Vater nach Bremen zurück; mit seiner Stiefmutter verstand er sich aber nicht. Deshalb wanderte er mit dem Gesellenbrief 1949 nach Israel aus.

In seinen Augen haben sich die Deutschen nicht sehr geändert — seit den Jahren, in denen sie Juden, die durch ihre Städte geführt wurden, nicht beschützten, sondern sie zu Millionen mordeten. Hans Frank gestern in Bremen: „Heutzutage ist es nicht viel besser. Man schickt zu Saddam Hussein solche gefährlichen Sachen. Als ob noch nicht genug passiert ist.“ Barbara Debus