Das Geschäft mit dem Tod

■ Den Beerdigungsinstituten geht es seit der Zunahme von Anonymbegräbnissen immer schlechter

»Ihr Berater im Trauerfall«, »Bestattungen zur letzten Ruhe«, »Pietät«, »Zu allen Tag- und Nachtzeiten erreichbar«, »Individuelle Beratung im Familienbetrieb seit 40 Jahren«. Die Parolen, mit denen Beerdigungsinstitute für ihre Dienste werben, sind in ihrer seltsamen Mischung aus Schlichtheit, Biederkeit und routinierter Leisetreterei kaum zu überbieten. Vom Tod ist in den Firmeninseraten nie die Rede — das haben sie mit den Annoncen der Hinterbliebenen gemein, in denen Euphemismen wie »entschlafen«, »von uns gegangen« oder »zu sich genommen« vorherrschen. (Die Texte dieser Todesanzeigen werden häufig von den Bestattern vorgeschlagen.)

Wenn es nach dem Begräbnis- Multi GBG und Grieneisen geht, soll es mit der Verlogenheit nun vorbei sein. Mit einer Werbekampagne versucht man das Image der schwarzen Zunft aufzupolieren. »Über den Tod haben wir nie gesprochen — bis wir mußten«, diese Worte werden da beispielsweise auf einem Plakat einer flotten Vierzigerin in den Mund gelegt.

Doch damit nicht genug: Neuerdings bieten die Großen der Branche »Trauerberatung« an. Der Bestatter werde immer mehr gefordert, so die offizielle Begründung. Trauernde kämen auch nach der Beerdigung noch zu ihm und wollten Rat. Das viele Elend habe die Branchenführer jetzt dazu gebracht, ihr »Dienstleistungsangebot« zu erweitern: In »Gesprächskreisen zur Lebensberatung« wird Hinterbliebenen Begleitung beim Prozeß des Trauerns angeboten — unter Leitung nicht von Psychologen sondern von professionellen Grabrednern, die eine kurze Weiterbildung erhielten.

Peter Tiedt, Geschäftsführer des Verbandes deutscher Bestattungsunternehmen und Manager bei GBG und Grieneisen, sieht sein Unternehmen mit Imagekampagne und Angebotserweiterung pionierhaft »Kulturarbeit« leisten. »Wir wollen die Bestatter endlich aus ihrem ‘Schattendasein‚ herausbringen. Und wir möchten den Menschen dazu bringen, sich mit dem Tod zu beschäftigen«, sagt er. Viele Menschen betrachten Sterben und Tod nur noch als »Entsorgungsproblem«. Tiedt spricht davon, daß in den Medien und der Werbung nur hübsche, junge Menschen vorkämen, Verfall, Alter und Tod jedoch kollektiv verdrängt würden. Die Frau auf dem Plakat der Bestatterwerbung wirkt allerdings ebenfalls recht fesch.

Es keimt der Verdacht auf, daß die Beerdigunsginstitute nicht nur das Tabu »Tod« knacken, sondern ihre Betriebe mit vermehrtem Werbeaufwand aus einem ökonomischen »Schattendasein« herausbringen wollen. Und tatsächlich: Der Branche geht es gerade in Berlin schon seit längerem schlecht. So hat in den letzten zehn Jahren die Zahl anonymer Bestattungen enorm zugenommen — auf manchen Friedhöfen beträgt der Anteil an namenlosen Gemeinschaftsgräbern bereits 50 Prozent. Anonymbegräbnisse sind billig, bringen den Unternehmen also wenig ein.

Außerdem geht die absolute Zahl der Sterbefälle in Berlin schon seit Jahren kontinuierlich zurück. Die Menschen erreichen ein durchschnittlich immer höheres Alter — sterben also später — die Klientel der schwarzen Zunft nimmt ab.

Auch die Billig-Bestatter, die sogenannten Sarg-Discounter, haben die Branche nachhaltig verunsichert. Die »Väter« dieser Idee konnten sich zwar wegen sich häufender Pannen und unseriösen Geschäftsgebarens nicht lange halten, dennoch haben sie Spuren hinterlassen. Axel Kluth, stellvertretender Obermeister der Berliner Bestatterinnung (in der die kleinen und mittleren Beerdigungsunternehmen zusammengeschlossen sind), berichtet, daß manche traditionellen Unternehmen jetzt mit Niedrigpreisen werben oder gar Preisschilder im Schaufenster anbringen würden — früher in der »Pietätsbranche« undenkbar.

Die große Chance zur Sanierung der traditionellen Bestatter hätte — so sollte man meinen — mit der Vereinigung der beiden Berliner Stadthälften kommen müssen. Schließlich räumte niemand dem Ostberliner Städtischen Beerdigungsunternehmen (zur DDR-Zeiten war auch die »letzte Ruhe« fast ausschließlich staatlich organisiert) Überlebenschancen ein. Dennoch war die Branche im Westen skeptisch und operiert bis heute nur äußerst vorsichtig. Selbst die Großbestatter haben bisher erst einige wenige Ost-Filialen eingerichtet. Stattdessen strömen Fachfremde aus den neuen Bundesländern auf den Markt. »Wer keine Peep-Show eröffnen will, macht eben einen Bestattungsbetrieb auf« — so lästern böse Zugen innerhalb der Westberliner Branche. Da komme es denn auch schon vor, daß verwegene Newcomer mit unlauteren Methoden kämpften und beispielsweise in Krankenhäusern auf Kundenfang gingen oder ihre Geschäfte direkt auf dem Friedhof eröffnen wollten, berichtet Innungsmeister Kluth.

Die Westberliner Bestatter wissen, wovon sie reden — schließlich gibt es auch in ihren Reihen schwarze Schafe. Vor einigen Jahren stellten einige Unternehmen fest, daß die Aufträge zur Beerdigung von Toten ohne Hinterbliebene von den zuständigen öffentlichen Dienststellen immer nur an ganz bestimmte, manchmal weit entfernte Beerdigungsinstitute gingen. Illegale Absprachen zwischen Bestattern und Polizei (wie sie inzwischen in Hamburg aufgedeckt wurden) habe man damals zwar nicht nachweisen können — »aber der Verdacht lag nahe«, meint Innungsmeister Kluth. Mittlerweile hat man sich auf eine zentrale Koordinierungsstelle für solche Fälle geenigt. Peter Tomuscheit