Diepgen als Bettvorleger

■ Die Schwächen des Regierenden Bürgermeisters kommen auch in der CDU immer mehr ins Gerede

Berlin. Eberhard Diepgen habe seinen »Leistungszenith überschritten«. Diese Worte, die der CDU-Abgeordnete Jürgen Adler vor einigen Wochen in einem taz- Interview fand, nachdem er seinen Parteichef zuvor schon als den »blassen Eberhard« tituliert hatte, verschafften Adler keine neuen Freunde in der Partei.

Der CDU-Landesausschuß beeilte sich, die Kritik des Abgeordneten zurückzuweisen. In einer Rede zum 50. Geburtstag des Regierenden Bürgermeisters konterte der Fraktionschef und Diepgen- Freund Klaus Landowsky mit Lobhudelei. Der »Höhepunkt« in Diepgens Leben stehe »mit Sicherheit noch bevor«.

Wer's glaubt. Diepgens Position als Regierender Bürgermeister und CDU-Chef bleibt einstweilen unangefochten, doch als Person ist er im Gerede. Detailversessenheit wird ihm angekreidet, Entscheidungsschwäche und Konfliktscheu.

»Der Tiger springt — und endet als Bettvorleger«, lästern sozialdemokratische Senatsmitglieder. Dabei sind sie noch mit am zufriedensten mit ihrem »Ebi«, weil er sie in Streitfragen mit CDU-Senatoren häufig unterstützt. Weniger Begeisterung herrscht in der CDU, deren Mitglieder zunehmend die Sorge umtreibt, ihre Positionen kämen in der Großen Koalition nicht richtig zum Tragen.

Diepgen bemüht sich unverdrossen um ein moderates Auftreten. Ganz offensichtlich schielt er auf die Gunst der Wähler im Ostteil der Stadt und in Brandenburg. Erkennbar wird das bei Diepgens Positionen im Tarifstreit für die ostdeutschen Beschäftigten oder bei seinem öffentlich geäußerter Unwillen über die Entlassung von Stasi-Straßenkehrern bei der BSR. Die Nähe zu den Sozis wird noch dadurch verstärkt, daß einer von Diepgens engen Beratern ein Sozialdemokrat ist: Eduard Heußen, der stellvertretende Senatssprecher, bis vor einem halben Jahr noch in Bonn. Seine Erfahrungen werden von Diepgen gern genutzt — zum Ärger der Strategen in der SPD-Fraktion, die um ihr eigenes Profil fürchten müßten.

Den Sozis, meinen Diepgen- Kenner, müßte eigentlich nicht bange sein. Die Achillesferse des Regierenden läge doch offen zutage. Der Schiffbruch mit dem Olympia-Manager Lutz Grüttke ebenso wie die eilfertige Bereitschaft, einen Vorschlag des Rechtsanwalts Knauthe zur Grundstückspolitik als Senatsbeschluß zu übernehmen. Beides lege die übergroße Ehrfurcht offen, die der Kleine-Leute-Sohn Diepgen auch heute noch vor den Männern mit dem großen Gehältern empfinde. Eine gefährliche Schwäche in dieser Stadt der Großinvestoren und Spekulanten. hmt