Ein kurzer, scharfer Blick

■ Jorge Semprún zum Tod von Yves Montand

Es fällt mir schwer, etwas dazu zu sagen. Sein Tod war ein Schlag für mich, denn mit ihm habe ich viele gemeinsame Jahre verbracht. Yves war ein außergewöhnlicher Künstler und ein inniger Freund. Ich kann auch nicht in wenigen Worten ausdrücken, was ich fühle. Dazu hatten wir zuviele gemeinsame Erfahrungen und Abenteuer. Seit jenem ersten Film von Alain Resnais Der Krieg ist vorbei, in dem er die Rolle des Diego so ausgezeichnet spielte. Damals half er mir sehr dabei, über das Trauma hinwegzukommen, das der Ausschluß aus der Kommunistischen Partei Spaniens für mich bedeutete.

Yves war immer an meiner Seite. Ich konnte auf ihn zählen. Die Rolle des Diego spielte er, als ob er selbst meine Erfahrung als Aktivist gemacht hätte. Deshalb ist es schwierig, von Montand zu reden. Es ist, als wollte ich über mich selbst reden. Er war einer der wichtigen Menschen jener Jahre. Ein Bürger, der sich in den Kämpfen für Menschenrechte, Freiheit und Gerechtigkeit engagierte. Er war vor allem anständig und — was sehr wichtig ist — er gab seine eigenen Fehler zu.

Neben unserer ehrlichen Freundschaft, unseren gemeinsamen Kämpfen und Freuden, und einer tiefen Beziehung, die Anfang der 60er Jahre begann, haben wir auch zusammen gearbeitet. Ich hoffe, daß unsere Zusammenarbeit bei so abenteuerlichen Unternehmungen wie den Filmen Das Geständnis und Z nicht in Vergessenheit gerät.

Ich erinnere mich an unser erstes Zusammentreffen im Sommer 1963 im „La Colombe d'Or“ in Saint Paul de Vence, als ich neben Simone Signoret einen großen, hemdsärmeligen Kerl kommen sah. Wir saßen an einem Tisch, als wir einander vorgestellt wurden. Ich spürte einen kurzen, scharfen Blick, als wollte er prüfen, wer der Freund von Simone war. Aber wir hatten sehr schnell einen Draht zueinander. Da gab es nicht den Intellektuellen, der Lektionen erteilt, auf der einen und den Sänger auf der anderen Seite. Nichts davon. Ich bewunderte, was er auf der Bühne tat und hielt ihn für sehr wichtig. Umgekehrt fühlte er keinerlei Herablassung gegenüber seiner „niederen Kunst“. Schauspieler faszinieren mich und ich hörte ihm stundenlang zu. So begann unsere große Freundschaft.

Mit freundlicher Genehmigung von 'Diario 16‘. Aus dem Spanischen von Dorothea Hahn.

Der Schriftsteller Semprún war viele Jahre Führungsmitglied der spanischen KP. Seinen Bruch mit der Partei verarbeitete er unter anderem in dem Roman „Das Tagebuch des Federico Sanchez“. Vorübergehend war Semprún Kulturminister im Kabinett von Felipe Gonzalez. Zur Zeit widmet er sich wieder verstärkt der schriftstellerischen Arbeit.