INTERVIEW
: Entmilitarisierung El Salvadors ist das Ziel

■ Ruben Zamora, Führer der parlamentarischen Linken, über Waffenstillstand und Friedensverhandlungen

Die salvadorianische FMLN-Guerilla hat einen einseitigen Waffenstillstand in dem seit mehr als elf Jahren währenden Bürgerkrieg erklärt. El Salvadors Präsident Alfredo Cristiani reagierte darauf mit der Erklärung, dies sei ein „positives Zeichen guten Willens“. Sprecher der FMLN teilten am Rande der Friedensverhandlungen mit der salvadorianischen Regierung mit, der unbefristete Waffenstillstand werde in der Nacht von Freitag auf Samstag in Kraft treten. Die Guerilla werde dann ihre offensiven Aktionen, ihre Operationen in den Städten und ihre Anschläge auf wirtschaftliche und Infrastrukturziele einstellen. Sie werde nur dann wieder zu den Waffen greifen, wenn die Regierung versuchen sollte, die neue Lage auszunutzen.

taz: Ist die Annahme der salvadorianischen Guerilla realistisch, daß zu Weihnachten ein beiderseitiger Waffenstillstand beginnen kann?

Ruben Zamora: Wenn nicht bis Weihnachten, so doch sehr wahrscheinlich in den ersten drei Monaten des nächsten Jahres. Es geht jedenfalls nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wann.

Streitfragen sind offenbar noch die Verkleinerung der sogenannten Sicherheitskräfte und die Bildung einer zivilen Polizei, in die auch die bisherige Guerilla integriert werden soll.

Im militärischen Bereich wird vor allem darüber verhandelt, wer die Säuberung in den Streitkräften durchführt — ob die zuständige Kommission international oder nur mit Salvadorianern besetzt wird. Dann geht es darum, wie der militärische Geheimdienst unter zivile Kontrolle kommt. Die Polizei ist ein so komplexes Thema, daß hier noch viele Details zu regeln sind. In der Verhandlung fehlt auch noch eine Vereinbarung über Wirtschafts- und Sozialpolitik, da muß definiert werden, worin die „konzertierte Aktion“ von Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften bestehen soll. Das Hauptziel ist jedoch die Entmilitarisierung des Landes. Und in der Übergangszeit wird die „konzertierte Aktion“ unterschiedlicher politischer Kräfte eine Überlebensnotwendigkeit für alle sein.

Eine Abschaffung des Heeres wird es aber auch in El Salvador nicht geben. Kann die Beteiligung der bisherigen Guerilla an einer zivilen Polizei die Einhaltung der Vereinbarungen durch die Militärs garantieren?

Das ist Teil einer komplexen Garantie, die auch einen internationalen Aspekt, darunter die UNO, hat sowie eine ökonomische Seite: Wir wollen zum Beispiel, daß das gesamte Paket von Wirtschaftshilfe für El Salvador an die Erfüllung der politischen Vereinbarungen gekoppelt wird. Dann wird es noch die internen Garantien geben: die Beteiligung der Guerilla an der nationalen Polizei, Säuberung und Verkleinerung der Armee, Verfassungsreform usw. Und schließlich das, was wir die „sozialen Garantien“ nennen: In dem Maße, wie die Entmilitarisierung relativ gute Bedingungen für soziale Organisationen schafft, werden diese zu Protagonisten des Friedensprozesses, und sie werden auf lange Sicht die Entmilitarisierung des Landes garantieren. Die Militarisierung der Gesellschaft muß verringert werden. Sie ist im Grunde der Hauptfeind der Linken. Entmilitarisierung schafft man nicht in erster Linie, indem man die Militärs bestraft, sondern indem man die zivile Gesellschaft stärkt. Allein die Präsenz der Guerilla in der Polizei reicht nicht. Auch die internationale Garantie allein würde kein Jahr halten. Aber die Kombination aller Garantien gibt uns eine gute Chance, das Land zu demokratisieren. Interview: Michael Rediske