Hoher Besuch in Peking

US-Außenminister in China: Arbeitsessen statt Lächeln  ■ Aus Peking Catherine Sampson

US-Außenminister James Baker hält sich seit Freitag zu einem offiziellen Besuch in China auf. Er ist der höchstrangige US-Gast des Landes seit der Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung im Juni 1989. Zweck der Reise ist, Pekinger Konzessionen in Fragen der Menschenrechte, Handelsbeziehungen und Rüstungskontrolle zu erreichen und damit eine Verschlechterung der Beziehungen zu verhindern.

Daß von Bakers Gesprächen vieles abhängt, weiß niemand besser als er selbst. „Ich denke, dieser Besuch ist sehr wichtig“, sagte er zu Beginn seiner gestrigen Gespräche mit Amtskollege Qian Qichen. „Und ich weiß, daß Sie derselben Meinung sind.“ Heute soll Baker mit Premierminister Li Peng, KP-Chef Jiang Zemin und Staatspräsident Yang Shangkun zusammentreffen.

Baker wird die amerikanische Öffentlichkeit vom Sinn seiner Peking- Reise nur dann überzeugen können, wenn er greifbare Erfolge erzielt. Die Absicht von Präsident Bush, gute US-chinesische Beziehungen zu wahren, ist in den USA auf harte Kritik gestoßen. Bis jetzt ist unklar, ob die chinesische Führung Baker entgegenkommen wird und Maßnahmen wie die Freilassung politischer Gefangener, die Festsetzung eines Datums für die Unterschrift unter den Atomwaffen-Nichtweiterverbreitungsvertrag oder die Zustimmung zu handelspolitischen Forderungen der USA ergreifen wird.

Jedenfalls zog Baker es vor, sein Treffen mit Qian Qichen bei einem Arbeitsessen fortzusetzen, anstatt bei einem zeremoniellen Festmahl lächeln zu müssen.

Das offizielle Peking verhehlt seine Freude über den hohen Besuch nicht. Daß kurz vor der Visite ein vertrauliches Pekinger Parteidokument an die Öffentlichkeit gelangte, das George Bush namentlich der Wühlarbeit gegen Chinas KP bezichtigt und westliche Menschenrechtssorgen als „Quatsch“ abschreibt, war eher peinlich. Doch auch Baker hat sich in seiner Sprache nicht zurückgehalten. Das Regime in Peking nannte er kürzlich einen „Anachronismus“, und in Tokio letzte Woche kritisierte er die Unterdrückung chinesischer Demokraten. Seinen Gesprächspartnern will er nun eine Liste von 950 politischen Gefangenen vorlegen und um Informationen über deren Schicksal bitten.

Chinesische Dissidenten nehmen Bakers Besuch zum Anlaß verstärkter Aktivität. Journalisten in Peking wurden vor wenigen Tagen von angeblichen Sprechern einer „Liberaldemokratischen Partei“ und eines „Verbandes Vereinigter Demokraten“ kontaktiert. Und in der Nacht zum Freitag erschien an der Universität von Peking ein Plakat eben dieser „Liberaldemokratischen Partei“, das die Freilassung aller politischen Gefangenen forderte.