Euromanager statt Kolonialherr

■ Westeuropäische Personalchefs diskutieren über Trends der Rekrutierung von Führungskräften

Berlin (taz) — 45 Jahre Nach-Weltkriegsgeschichte sind schnell erzählt: Panzer rollten, Demonstranten marschierten, die Berliner Mauer wurde auf- und abgebaut, dazu gab es jeweils die zeitgerechte Rockmusik — acht Minuten dauerte der Filmschnipsel-Mix auf Breitleinwand, mit dem sich am Donnerstag 350 westeuropäische und US-amerikanische Personalchefs auf die „Hay International Conference“ im Berliner Interconti-Hotel einstimmen ließen. Genug Historie; denn die „Europäische Landkarte ist neu gezeichnet“, so Jos Bomers, Chef der europaweit operierenden US-Managementberatungsfirma Hay Corporation; und deshalb wird in den Neunzigern eh alles ganz anders als bisher. Weshalb die Human Resource Manager, die Leiter der Personalabteilungen international agierender Konzerne „vor neuen Herausforderungen“ stünden. Wie also, so die Frage der Konferenz können Menschen, Organisationen und Management am besten diese Herausforderungen im „neuen europäischen Raum“ meistern?

Weil man über die Osteuropäer allerdings nicht allzu viel Daten zusammenbekommen hatte, bewegten sich die Vortragenden zumeist doch im bekannten westeuropäischen Raum. Dort sahen die Referenten im Managementbereich immer mehr den gemeinsamen europäischen Arbeitsmarkt entstehen. Deutlich abzulesen sei das an der Angleichung der Gehälter.

Das Land mit dem europäischen Durchschnittsverdienst ist demnach Belgien. In den letzten Jahren hat sich die Gehaltsstruktur für Fach- und Führungskräfte immer mehr diesem Durchschnitt angeglichen; lediglich die Länder mit besonders hohen oder besonders niedrigen Inflationsraten weichen davon stärker ab: Schweizer und Deutsche verdienen auf allen Gehaltsstufen runde 120 Prozent des Brüssel-Durchschnitts, Griechen und Portugiesen müssen sich mit 70-Prozent-Einkommen zufrieden geben. Was die Bezahlung angeht, lohnen sich Karrieren übrigens finanziell am meisten in Italien und Spanien: Dort verdient die obere Schicht mehr als der EG-Durchschnitt dieser Gehaltsstufen, während das mittlere Management unterdurchschnittlich entlohnt wird.

Um die Gehälter in unterschiedlichen Ländern vergleichbar zu machen, befragen die Hay-Berater 2.000 Firmen in 17 westeuropäischen Ländern und erfassen so 250.000 unterschiedliche Jobs. Aus der Datenmasse lesen sie außerdem Trends für die nächsten Jahre heraus. Mega-out ist demnach der Typ des Coca-Cola-Repräsentanten aus dem Billy-Wilder-Film „Eins, zwei drei“, der als Statthalter der Firma ins Ausland geschickt wird und als moderner Kolonialherr seine Firmenkultur den eingeborenen Mitarbeitern überstülpt. Multinationale Konzerne werden, so die Hay-Leute, immer mehr dazu übergehen, Führungskräfte lokal zu rekrutieren und ihnen das nötige Wissen über die Mutterfirma via Weiterbildung zu vermitteln. Daneben wird es einige wenige Euromanager geben, die im Laufe ihrer Karriere in verschiedenen Ländern tatsächlich leben und nicht bloß arbeiten. In Westeuropa sei diese Spezies schon häufig zu finden und sehr nützlich für ihre Arbeitgeber, weil sie den lokalen Markt am eigenen Leib täglich erfahren.

Nur wie integriert man als Personalchef die neuen Osteuropa- Märkte? Der Managementnachwuchs hat zumeist wenig Lust, sich auf das reale Leben in den Reformländern einzulassen — es ist einfach zu unbequem. Zumal es genug gute Arbeitsmöglichkeiten im Westen gibt: Im Jahr 2.000 werden Firmenchefs für 35 Prozent aller europäischen Jobs AkademikerInnen suchen — doch nur 20 Prozent werden die geforderte Qualifikation mitbringen. Und die neuen Märkte mit Ostkräften zu erobern, fällt ebenfalls schwer, sagte Referent Larry Simpson. Bei der Bezahlung sei es Osteuropäern wichtig, daß der Lohn ausreiche zum Leben. Ihnen fehle die Motivation, mehr zu leisten und für bessere Arbeit mehr zu verdienen. Deshalb werde es im Osten noch länger den alten Kolonialisten-Managertyp geben. Donata Riedel