Ku-Klux-Klan for Governor?

■ Im Bundesstaat Louisiana wird heute ein neuer Gouverneur gewählt. David Duke, ein früherer Ku-Klux-Klan Führer und Neo-Nazi, hat reelle Siegchancen. Der registrierte, aber von der Parteiführung geächtete...

Ku-Klux-Klan for Governor? Im Bundesstaat Louisiana wird heute ein neuer Gouverneur gewählt. David Duke, ein früherer Ku-Klux-Klan Führer und Neo-Nazi, hat reelle Siegchancen. Der registrierte, aber von der Parteiführung geächtete Republikaner macht, rhetorisch geschickt, den Rassismus mit simplen Botschaften über die Grenzen des Bundesstaates hinaus salonfähig.

VON ROLF PAASCH

Eines wissen John Garoy und seine Frau Dawn ganz genau: daß keine Steuergelder mehr zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates fließen dürfen, „weil es sonst noch mehr uneheliche Kinder gibt“. Und daß sie nur einen Politiker kennen, der das im US- Bundesstaat Louisiana durchsetzen kann. Deshalb sind sie an diesem Abend zur Pferderennbahn von „Evangeline Downs“ hinausgefahren, um ihren Mann bei seinem letzten Wahlkampfauftritt zu feiern: David Duke, ausgewiesener Neonazi, Ex-Mitglied des Ku-Klux-Klan und Anwärter für das Amt des Gouverneurs. Mit mütterlichem Stolz verweist die 21jährige Dawn auf ihre einjährige Tochter, die David Duke mittlerweile schon im Fernsehen erkennen kann. „,Tuk, Tuk‘, ruft sie dann immer, nicht wahr, meine Süße?“

Dukes Anhänger kommen an diesem Abend aus allen Himmelsrichtungen des Bundesstaates: aus dem protestantischen und armen Norden jenseits von Alexandria, aus den Fischereigründen am Golf von Mexiko und aus dem urbanen Gürtel zwischen Baton Rouge und New Orleans. Ingenieure, Ölarbeiter, Lehrer, Ladenverkäufer: ein Querschnitt des weißen Louisiana.

Da ist neben John und Dawn Ronald Menuel, ein Lastwagenfahrer aus Lake Charles, der zum ersten Mal seine Stimme nicht einem Demokraten, sondern David Duke geben will. Und da steht unter den rund 3.000 Duke-Fans eine Gruppe älterer Herren im dunklen Anzug: die „business class“ von Acadiana — fest entschlossen, ihre Stimme für jenen Mann abzugeben, der noch vor wenigen Jahren mit den Worten zitiert wurde, daß die Juden in die Aschenkiste der Geschichte gehören.

Doch die Biographie des ausgewiesenen Neonazis und ehemaligen „Grand Wizard“ des Ku-Klux-Klan stört keinen seiner Anhänger, zumal sich der Politiker Duke vor allem als überzeugter Christ präsentiert. Verbal abgemildert und moralisch mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus untermauert, ist Dukes Rassismus salonfähig geworden. „Jeder hat so seine Jugendsünden“, sagt Jerry unter seinem Texaner-Hut, dessen großer Held im Leben der andere „Duke“, John Wayne, gewesen ist.

Wer überhaupt noch für seinen Gegner, den Demokraten Edwin Edwards, stimmen wird, fragt man sich auf der Pferderennbahn von „Evangeline Downs“. „Die Schwarzen natürlich“, flüstert einer hinter vorgehaltener Hand.

Da diese in Louisiana 27 Prozent der Wähler stellen, muß David Duke schon zwei von drei weißen Stimmen auf sich vereinen, um zu gewinnen. Eben dies ist nach den letzten Meinungsumfragen nicht unmöglich. Die Demoskopen verzeichnen zwar einen Vorsprung für Edwards, doch weiß jeder, daß viele Bürger es noch nicht wagen, ihre Sympathie für Duke zuzugeben. Der spekuliert darauf, daß viele ihre politische Scham heute vor der Wahlkabine ablegen und für ihn und seine Slogans stimmen werden: weniger Steuern, weniger Wohlfahrt, keine „Bevorzugung“ von Schwarzen durch Antidiskriminierungsgesetze.

„Unsere Geschäftsleute haben bei sich im Betrieb durchaus schwarze Arbeiter angeheuert. Doch sich vom Staat mit seinen Quotierungsgesetzen deren Rekrutierung vorschreiben zu lassen, davon soll sie David Duke schleunigst befreien.“ Harry Fontenot geht da noch ein Stück weiter: „Das ist wie mit Ost- und Westdeutschland, als würde man hier auf der Rennbahn Pferde gegen Maulesel antreten lassen. Die sind doch einfach 30 Jahre zurück.“ Die Deutschen, sagt Fontenot, und meint die Westdeutschen, hätten mit ihren neuen Mitbürgern noch Glück, weil die wenigstens ein Gehirn besäßen und aufholen könnten. „Aber unsere Afrikaner hier, die haben doch nur leere Bum-bum-Trommeln im Kopf.“

Als erstes, da sind sich hier alle einig, muß der Wohlfahrtsstaat abgeschafft werden. „Entweder Du arbeitest, oder Du kriegst nichts zu fressen“, fordert Harry. Daß Louisiana mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern, der höchsten Analphabetenrate und der niedrigsten Lebenserwartung, in dem die Hälfte aller schwarzen Familien unter der Armutsgrenze liegen, nur ganze zwei Prozent seines Budgets für Sozialhilfe ausgibt, will in der Runde niemand hören. Und als David Duke dann seinen gladiatorenhaften Einzug hält, geht die weitere Diskussion im frenetischen Jubel der Menge unter.

Doch ehe Duke ans Mikrophon tritt, wird gebetet und Gott für seine Herabsendung gedankt. „Hier ist ein unglaublicher messianischer Eifer in der Luft“, erklärt der lokale TV-Reporter den auswärtigen Kollegen die Anfälligkeit des meist evangelikalen Publikums für den angeblich „wiedergeborenen Polit-Helden“.

Es folgt eine Ton-Dia-Show wie von der Tourismusbehörde Louisianas, Lokalkolorit mit eingestreuten Duke-Fotos. Duke beim Gebet, Duke in Hemdsärmeln mit seinen zwei engelsgleichen Töchtern, Duke am Klavier und Duke mit Flinte im Anschlag.

Erst dann springt der 41jährige Star des Abends behende auf das Podium, die Girls kreischen wie bei einem Mick-Jagger-Konzert, die Boys recken ihre Fäuste zum stakkatoartigen „Djuhk, Djuhk“ in die Höhe wie zur Unterstützung ihres heimischen Footballteams.

„Der sagt das Richtige über das Falsche“, so der Fernsehreporter. Wenn er von Wohlfahrtsbetrügern spricht, meint er die Schwarzen; wenn er von gleichem Recht für die Weißen redet, meint er neue Benachteiligungen für die „Neger“. Doch die „schweigende Mehrheit“, für die Duke immer wieder zu sprechen vorgibt, ist gar nicht gekommen, um ihm andächtig zuzuhören. Die zweite Hälfte seiner Sätze geht meist im Gebrüll unter. Sie, die Zukurzgekommenen des weißen Amerika, sind hier, um ihren Messias und sich selbst zu feiern. „Uns in Louisiana“, sagt einer, „hat man so lange niedergehalten.“ George Bush nannte Duke in der letzten Woche einen „Scharlatan“ und rief die Bürger Louisianas schweren Herzens dazu auf, den Demokraten Edwards zu wählen. Geschäftswelt und Tourismusindustrie malen im Falle von Dukes Wahl das Gespenst einer Kapital- und Besucherflucht aus dem wirtschaftlich ohnehin maroden Südstaat an die Wand. „Je härter ihn die liberalen Medien angreifen“, sagt Dora, die 83jährig und etwas wacklig in der Menge steht, „umso mehr lieben wir ihn.“ Wie alle anderen schüttelt auch sie David Duke die Hand, als dieser nach dem Ende der Veranstaltung am Tribünenausgang jeden seiner Anhänger persönlich verabschiedet — bis der letzte der Besucher in seinen Wagen mit dem blau-weißen Duke- Aufkleber gestiegen und in die laue Novembernacht davongefahren ist. So sind die weißen Bürger Louisianas von ihrer seit Jahrzehnten korrupten Politikerkaste in der Tat noch nie behandelt worden.

Eine halbe Stunde später, vor „Annie's Liquor Store“. Erna hat sich eine Flasche Wodka erstanden und nimmt vor der halb zerfallenen Holzhütte des Alkoholladens im menschenleeren Stadtzentrum von Lafayette einen ersten Schluck zu sich. Vor dreißig Jahren, sagt die schwarze Frau und zeigt auf die öffentlichen Gebäude gleich um die Ecke, hingen hier noch Schilder mit der Aufschrift „Whites“ und „Colored“, und sie mußte noch die Kapuzenmänner des Klans mit ihren brennenden Kerzen fürchten. „Es ist halt leicht für euch Weiße, zu vergessen, was David Duke war. Aber nicht für uns Schwarze.“