Koalitions-Poker mit offenem Ende

Bremer Ampelverhandlungen kommen nicht voran/ SPD, Grüne und FDP stehen unter großem Druck ihrer Klientel/ Bei der Verkehrs- und Energiepolitik wird noch nach einer Kompromißformel gesucht  ■ Von Holger Bruns-Kösters

Die Verhandlungen um die Bildung einer neuen Bremer Landesregierung kommen nicht so recht voran. Nachdem SPD, Grüne und FDP in Cuxhaven drei Tage lang versucht hatten, sich auf ein gemeinsamens Regierungsprogramm zu verständigen, wurde gestern nachmittag die bereits angekündigte Pressekonferenz wieder abgesagt. Öffentliche Erklärungen zum Stand der Verhandlungen, so wurde verabredet, sollen unterbleiben.

Die Konfliktlinien jedoch sind klar: Alle drei Parteien stehen unter einem erheblichen öffentlichen Druck ihrer Klientel. Den Grünen wurde von Umweltschützern bereits „Verrat“ vorgeworfen, weil sie angeblich der ökologisch problematischen Vertiefung der Außenweser zugestimmt haben sollen. Auf dieser Vertiefung besteht die FDP, die der Handelskammer und der Hafenwirtschaft beweisen muß, daß sie deren Interessen schlagkräftig vertritt. Die SPD stimmt nach Auskunft eines Verhandlungsteilnehmers „jedem Konsens“ zu, hat aber ein gravierendes Problem: die FDP fordert die Wiedereinführung von Gymnasien in Bremen. Damit wäre ein Herzstück sozialdemokratischer Bildungspolitik, die integrative Stufenschule, gefährdet.

Gesucht wird jetzt in dieser Woche eine Paketlösung, die auch die Konflikte bei der Energie-, der Müll- und der Verkehrspolitik auf Kompromißformeln bringt. So müssen die Grünen wahrscheinlich eine neue Autobahn schlucken, die ein Bremer Industriegebiet an das Autobahnnetz anschließen soll. Im Gegenzug muß die FDP akzeptieren, daß das Grüne Schlagwort von der „autofreien Innenstadt“ zur offiziellen Politik wird. Die FDP wird wahrscheinlich auf ihre Forderung nach einer neuen Müllverbrennungsanlage verzichten, die Grünen werden dafür bei ihrer Position, die Energiepolitik dem Umweltressort zu unterstellen, Zugeständnisse machen müssen.

Sollte dies gelingen, steht den Verhandlungskommissionen noch ein Stück Schwerarbeit bevor. Denn erst ganz zuletzt sollen die inhaltlichen Verabredungen auf ihre Finanzierbarkeit überprüft werden. Am 11.Dezember soll die neue Bremer Landesregierung gewählt werden. Bis dahin muß auch noch die Personalfrage gelöst werden. Die SPD ächzt unter einem Überangebot bisher amtierender Senatoren, die gerne im Amt bleiben wollen und muß gleichzeitig der Forderung nach personeller Erneuerung Rechnung tragen. Bei den Grünen ist der ehemalige Bundesvorstandssprecher Ralf Fücks als Senator für Umweltschutz und Stadtentwicklung erste Wahl. Bei der FDP sind die einzigen beiden Politprofis Claus Jäger und Friedrich van Nispen im Gespräch. Für die Betreffenden sind Ämter und Würden eine große Triebfeder, die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Angesichts der Widerstände an der jeweiligen Parteibasis hieß es aber gestern übereinstimmend: „Ein Poker mit offenem Ende“.