Geld stinkt nicht, liebe GenossInnen!

■ Nach wochenlangen Diskussionen haben am Samstag die MitarbeiterInnen der taz mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, das Eigentum an der taz einer neu zu gründenden Genossenschaft zu übertragen. Um...

Geld stinkt nicht, liebe GenossInnen! Nach wochenlangen Diskussionen haben am Samstag die MitarbeiterInnen der taz mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, das Eigentum an der taz einer neu zu gründenden Genossenschaft zu übertragen. Um ihre Unabhängigkeit zu sichern, braucht das Unternehmen jetzt die Einlagen von möglichst vielen Geldgebern.

Ich bin zwar für das GmbH-Modell, aber ich werde gleich für die Genossenschaft stimmen.“ Wie bitte? Warum? „Weil ich will“, so fährt Klaus Hillenbrand, Chef vom Dienst und einer der wichtigsten Köpfe in der Nachrichtenredaktion fort, „daß hier heute eine klare Entscheidung fällt, daß das Gewürge aufhört.“ Das taz- Vereinsplenum macht gerade Mittagspause. Eine Pause, die über den Zustand der Zeitung einiges sagt. Zu Essen gibt es nichts — das sonst übliche Buffet hatte der Sparzwang längst geschluckt. Eine Entscheidung von zweifelhaftem Wert, denn alle Hungrigen im Saal des Berliner Hauses der Kulturen der Welt wissen, daß die Rettung der taz von einem Sparkommissar gewiß nicht kommen kann.

Ohne Beteiligungskapital von außen, darüber waren sich alle tazler schon vor dem entscheidenden Treffen am Samstag völlig einig, kann das Überleben der Zeitung nicht gesichert werden. Bei dem erbittert geführten Streit der letzten Monate ging es allein um das Wie, um die Chancen und Risiken der verschiedenen Wege. Zur Mittagszeit, noch vor der entscheidenen Abstimmung, steht der Weg, den die Mehrheit einschlagen will, längst fest. Die Stimmung im Saal ist eindeutig: Die Anwesenden haben mit dem von der Mehrheit der Redaktion und der Redaktionsleitung getragenen Beteiligungsmodell nichts im Sinn. Sie wollen die taz in eine Genossenschaft umwandeln, sie glauben mit dem Geld der vielen das erreichen zu können, was die Minderheit sich eher von der Beteiligung eines großen Investors erhofft: die Sicherung der taz, als unabhängige, streitbare Zeitung im zunehmend heißer umkämpften Tageszeitungsmarkt.

Die Stimme von Klaus Hillenbrand für die Genossenschaft ist eine „gegen den tödlichen Schwebezustand“, den er bei einer knappen Entscheidung befürchtet. Mit 132 gegen 58 Stimmen setzen sich die „Genossenschaftler“ in der geheimen Abstimmung gegen die „GmbHler“ dann durch. Eine deutliche Zweidrittelmehrheit. Für Klarheit ist also gesorgt.

Das Genossenschaftsmodell bedeute die „Fortsetzung des Istzustandes auf anderer Ebene“, beinhalte „die Verweigerung der erforderlichen, harten Schnitte zur rechten Zeit“. Das Modell sei „weder für einen Investor noch für einen unternehmerisch handelnden Kaufmann ein interessantes Beteiligungsobjekt“. Die Genossenschaftsholding, die zu 100% Eigentümerin sämtlicher bisheriger taz-Gesellschaften wird, werde „mal wieder die linke Spendenbereitschaft abzocken und ist wegen der ihr innewohnenden Perspektivlosigkeit eine Verarschung dieser Spender“.

Mit diesem harschen Kommentar hatten sich die Berliner Notare Hoffmann und Widmer, langjährige Freunde der taz und von der Redaktion beauftragt, das GmbH-Modell zu entwickeln, schon vor dem Plenum zu Wort gemeldet. Der Vorteil des GmbH-Modells, so Hoffmann am Samstag, liege darin, daß es „alle Optionen offenhalte“, daß es die Beteiligung des kleinen wie des großen Geldes zulasse. Eine selbstbewußte taz-Belegschaft brauche den Einfluß des „großen Investors nicht zu fürchten“.

Christian Ströbele, ein Gründungsmitglied der taz, begründet die Gegenposition. Das GmbH-Modell sei schon „fast auf den Großanleger zugeschnitten“, das Genossenschaftsmodell für den „Großen“ dagegen „wenig attraktiv“. Nur das Genossenschaftmodell „sichere die Unabhängigkeit der taz“. Das Ende des ehemaligen Frankfurter Sponti- Blattes 'Pflasterstrand‘ zeige, daß das große Beteiligungskapital und die Pleite durchaus zusammenfallen könnten. 7 bis 10 Millionen Mark seien durch „geldgebende Genossen“ bei Einlagen zwischen 1.000 und 50.000 „in den nächsten Jahren durchaus zu erzielen — vielleicht schon ein paar Millionen in den nächsten Monaten“, spekuliert Ströbele. Dem widerspricht Wolfgang Zügel, seit Beginn der taz an den redaktionellen Schaltstellen und im Vorstand des taz-Mitarbeitervereins tätig, vehement. Mit dem Genossenschaftsmodell werde „den Leuten Sand in die Augen gestreut“. Denn das Geld komme viel zögerlicher als behauptet. Die Frankfurter Öko-Bank habe z.B. vier Jahre gebraucht.

Helmut Richter, Gründungsmitglied der Öko-Bank und in deren Beirat sitzend, ist da ein bißchen hoffnungsvoller. Er glaubt, daß das Geld bei der taz-Genossenschaft — „weil die Angst, das Ding zu verlieren, ziemlich weit verbreitet ist“ — schneller fließen könnte. So habe man die 10.000 Mark für die am Samstag in der taz veröffentlichte Anzeige in ein paar Tagen zusammengebracht. „Ganz viele Leute wollen, daß die taz überlebt, weil sie fürchten, daß sich sonst das Klima in diesem Land verschlechtert.“ Zu einer Tendenzaussage sieht sich der Genossenschaftler Richter gleichwohl nicht in der Lage: „Ich kann nicht sehen, welches Modell in eurer Situation besser ist.“

Das weiß Klaus Wolschner, ein Bremer taz-Urgestein, einst zur Redaktionsleitung gehörend und heute im taz-Vorstand, am Samstag dagegen ganz genau. Das GmbH-Modell vergleicht er mit einem „Blindflug“. Das Modell „sei nicht verantwortbar“ und das „Gerede vom Großinvestor geschäftsschädigend“. Die Unterstützung des Genossenschaftsmodells durch den in dieser Frage seit Anbeginn gegen die Redaktionsmehrheit argumentierenden Redakteur Klaus Wolschner zeigt, daß die Redaktionsmehrheit und -leitung nicht nur an den linken Ideologen im taz-Betrieb gescheitert sind. Das eigene Konzept hat auch bei jenen tazlern zu viele Fragen offen gelassen, die sich der Pflege von linken Gewißheiten nie verschrieben und dem linken Mainstream nie untergeordnet haben.

Ein Beschluß für das Genossenschaftsmodell signalisiere, so hatte Redaktionsleiter Andreas Rostek am frühen morgen die Diskussion eröffnet, „daß wir unter uns bleiben wollen“. Für den Schritt nach vorn benötige die taz aber „nicht nur Geld, sondern auch mehr Know-how, als wir hier im Haus haben“. Die taz brauche zwar das „kleine Geld“, aber sie müsse gleichzeitig die „praktische Möglichkeit“ für den Einstieg des „großen Geldes“ schaffen. Für den Fall, daß der erforderliche Umbau der Redaktion nur auf einen Abbau hinauslaufe, kündigt Redaktionsleiter Andreas Rostek seinen Rücktritt an. Die taz brauche erhebliche Mittel zur Sanierung und Weiterentwicklung. „Deshalb“, so Rostek in einem Initiativantrag, „muß sie auf die Unterstützung kleinerer Kapitalgeber bauen und auf den Beitrag größerer Investoren zurückgreifen können“. Auch dieser Antrag scheitert knapp.

Gänzlich ausgeschlossen ist die Beteiligung von größeren Investoren an den taz-Gesellschaften damit aber nicht. Wenn der fünfköpfige Vorstand der künftigen taz-Genossenschaft, der mehrheitlich von den Mitarbeitern gewählt wird, einstimmig für den Verkauf von Anteilen votiert, kann der große Investor einsteigen.

Nach der Entscheidung eilt Helmut Richter noch einmal ans Mikrophon. „Ich habe die Befürchtung“, so Richter wörtlich, „daß sich die Redaktion jetzt entfernt.“ Er sehe die Gefahr eines „leisen Abschiedes. Das finde ich überflüssig.“ Diesen „leisen Abschied“ zu verhindern, wird wohl einer der Aufgaben des neuen taz-Vorstands sein. Der obersten Instanz der taz gehören künftig die Redakteurinnen Elke Schmitter (Kultur) und Donata Riedel (Wirtschaft) an. Beide werden am Samstag gewählt, nachdem die erst vor ein paar Wochen in den Vorstand aufgerückten Neumitglieder Ralf Klever und Christiane Lux zuror zurückgetreten waren, um der Redaktion im höchsten Gremium der taz eine angemessene Vertretung zu ermöglichen. Ein Zeichen der Versöhnung? Walter Jakobs