Arabische Nacht

■ Das »Al Muntada«-Jugenddorf lud zu einem arabischen Kulturabend in den Saalbau

Der Saalbau gibt sich mit seinen goldgefaßten Kasettendecken und den geschwungenen Balkonen dem Anlaß des Abends angemessen gekleidet, stelle ich fest, während ich am noch geschlossenen Buffet vorbeidefiliere und mich ein erstes Mal vorsichtig umblicke. Ich bin auf dem »Arabischen Kulturabend« des Bildungszentrums »Al Muntada«. An zahlreichen Sechsertischen sitzen große und noch größere Familien. Hier Deutsche, da Araber, aber es gibt auch einige buntgemischte Gesellschaften zwischen den festlich ausstaffierten Gästen der »Deutsch- arabischen Gesellschaft«.

Als Single und Deutsche ohne internationalen Anhang mag ich keinen der wenigen noch freien Tische für mich allein beanspruchen und setze mich kurzerhand in die Nähe der Bühne auf einen der freien Stühle am Rand. Der Katzentisch für überzählige Kinder und einsame Reporterinnen. Kaum fühle ich mich ein wenig behaglich auf meinem randseitigen Späherposten, spricht mich ein etwa elfjähriger Junge von »zwei Plätze weiter« an: Ob ich arabisch sei, will er wissen. Oder wenigstens arabisch sprechen könne? Sonst sieht es nämlich schlecht für mich aus. Denn dies, so sagt er voller Stolz, »ist ein arabisches Konzert«. Es ist Bilals erstes Konzert, erfahre ich, und er ist sehr gespannt auf das, was gleich von der Bühne herunter geboten wird. Seine Schulfreunde aus der sechsten Klasse waren vor ein paar Tagen bei den »New Kids« in der Deutschlandhalle, aber das war, so weiß er mittlerweile, ziemlich laut und eng. Ganz schön anstrengend also, da ist es hier schon gemütlicher. Während wir auf den offiziellen Beginn der Veranstaltung warten — »das kann noch dauern, in den arabischen Ländern fängt nie etwas pünktlich an«, weiß Bilal aus Erfahrung —, muß ich ihm in allen Einzelheiten erzählen, wie ein Liederabend unter Deutschen abläuft. Daß es nichts zu Essen gibt und alle in Reih' und Glied sitzen müssen, findet er ziemlich komisch, und angesichts dieser fröhlichen und trotzdem feierlichen Atmosphäre finde ich das plötzlich auch.

Endlich geht es los, die Saallichter werden gelöscht, und Bilal verspricht mir, alles zu übersetzen, was ich nicht verstehen kann. Aber die Dame, die uns herzlich zum arabischen Kulturabend des Jugenddorfes »Al Muntada« begrüßt, ist auffallend deutsch und daher für mich gut verständlich. Auch der Regionalchef der Deutsch- Arabischen Gesellschaft, Dr. Hansen, ist ein waschechter Einheimischer, und während er von den Erfolgen arabischer Bildungsarbeit und dem Bildungszentrum »Al Muntada« erzählt, sackt der kleine Bilal enttäuscht in sich zusammen. Ein arabischer Kulturabend, ganz auf deutsch? Von guten Beziehungen, wachsenden Bindung, Perspektiven stärkerer Zusammenarbeit und dem großen Engagement alle Mitarbeiter ist die Rede — jetzt rutschen auch die Gäste auf den besseren Plätzen ein wenig unruhig auf ihren Stühlen herum. Aber es gibt noch ein Buch für den Herrn Dr. Hansen, denn der ist auch noch der Leiter des CJD-Bildungszentrums.

Dann geht es endlich los. Die Tanz- und Gesangstruppe, die den kulturellen Teil des Abends bestreiten wird, heißt »Uschak-All-Ard«, zu deutsch: Die Liebenden der Heimat (Danke, Bilal!). Seit 1987 treten sie mit ihrem palästinensischen Folkloreprogramm in der ganzen BRD auf, und heute freuen sie sich natürlich besonders, hier zu sein. Deshalb tanzen sie zur Begrüßung den »Dabke«, einen Tanz, bei dem mich die vier Jungs ein bißchen an russische Kosaken erinnern. Hände klatschen, hoch und runter. Noch drehen sie sich etwas ziellos im Kreis, aber dann bekommt die Sache durch einige herannahende Frauen eine andere Wendung. Es sind ebenfalls vier. Auf der ganzen Welt gehen Folkloretänze immer so hübsch auf; nun hat jeder Mann seine Braut und alle sind zufrieden. Applaus. Dann ein Lied. Es scheint etwas ernsthafter zu sein, ein Wechselgesang, den Bilal allerdings ziemlich langweilig findet. Höre ich da zwischendurch das Wort »Intifada«?

Nun bleibt das Schema recht übersichtlich. Ein Lied, ein Tanz, ein Lied. Dazwischen kommt immer wieder ein breitschultriger Mann mit Vollbart und einer kräftigen Stimme auf die Bühne und schmettert einige Sätze, gestikulierend und mit schneidender Zunge, in den Raum. Beigeisterter Applaus. Ich wüßte gerne, was er gesagt hat, aber mein kleiner Dolmetscher muß leider passen. »Das ist alles palästinensisch«, erklärt er mir, und er selbt ist doch aus dem Libanon. Das sei ungefähr wie ein »Berliner, der nach Bayern kommt«. Bilal ist insgesamt von dem Programm ziemlich enttäuscht. Alles nur »Palästina«, wo bleiben denn da die anderen arabischen Länder? Gute Frage. Aber nun ist erst mal Pause. Essenszeit. Ganz im Sinne der multikulturellen Gesellschaft gibt es links ein deutsches Buffet mit Salat und Schnittchen und rechts die arabische Küche mit Weinblättern, Falaffel und dieser köstlichen Kichererbsencreme.

Lag es an dem guten Essen, an dem nach der Pause etwas gedämpfteren Licht oder daran, daß der Stargast des Abends Ahmed Arish Shariff einfach die besseren Lieder drauf hatte? Denn nun endlich kommt wirklich Stimmung in den Saal. Selbst die dröge Ansprache des inzwischen eingetroffenen Stadtrates Krüger, der natürlich auch »Integration und Vermittlung für sehr nötig hält«, kann die gute Laune nicht wieder vertreiben. Es wird geklatscht, geplaudert und gesungen. An dieser Stelle würden wir Teutonen vielleicht vor lauter Überschwang zu schunkeln beginnen.

Selbst Bilal hat jetzt seinen Frieden mit diesem Abend geschlossen und freut sich, daß er hier und nicht bei den »New Kids« war. Irgendwann gehen dann doch noch alle nach Hause, das »Lied für die Einheit des arabischen Volkes« klingt auf dem Bahnsteig nach, und alle freuen sich vergnügt aufs nächste Mal. Klaudia Brunst