Frauen gegen blinde Flecken in der Wirtschaft

■ Die Fachhochschule für Wirtschaft will frauenspezifische Lehrinhalte etablieren/ Frauenarbeit als Studienschwerpunkt

Berlin. Als erste Hochschule in der Bundesrepublik will die Berliner Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) einen frauenspezifischen Studienschwerpunkt in ihr reguläres Veranstaltungsprogramm aufnehmen. Heute entscheidet der Akademische Senat der Hochschule, in welcher Form der seit zwei Semestern als Studienreformprojekt angebotene Schwerpunkt »Frauenarbeit und Wirtschaft« weitergeführt werden soll.

Bislang sind Frauen in der Ökonomie in den Wirtschaftswissenschaften ein blinder Fleck. Während viele Betriebe Frauenförderpläne entwerfen und Gleichstellungskonzepte diskutieren, sind Forschung und Lehre in diesen Bereichen weiterhin männerzentriert. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wird in Vorlesungen genausowenig thematisiert wie unterschiedliche Löhne und Aufstiegschancen. Der als Wahlpflichtbereich im Hauptstudium konzipierte Studienschwerpunkt setzt sich mit Ursachen und Funktionen der Frauendiskriminierung auseinander. Auf wirtschaftlicher, sozialwissenschaftlicher und juristischer Ebene wird die Situation und Stellung von Frauenarbeit analysiert.

Die Untersuchung der gesellschaftlichen Aufteilung der Arbeit in Haus- und Berufsarbeit sowie in Frauen- und Männerberufe ist ein zentrales Thema. Die Soziologin Mechthild Rathering zeigt »Ursachen und Funktionsmechanismen der geschlechtlichen Arbeitsteilung in Beruf und Gesellschaft« auf. Dabei geht es sowohl um die historischen und strukturellen Gründe für die Entstehung der geschlechtlichen Arbeitsteilung als auch um die Aspekte der Weitertradierung. In den wirtschaftlichen Bereichen werden die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Hintergründe beruflicher Diskriminierung von Frauen auf der betrieblichen Ebene untersucht.

Die Erwerbssituation von Frauen in West- und Ostdeutschland wird hinsichtlich ihrer Motivation, Familiensituation sowie Qualifikations- und Berufsstrukturen analysiert und verglichen. Bereits vorhandene staatliche und betrieblichen Fördermaßnahmen werden vorgestellt. »Im Sinne einer erweiterten und effektiven Nutzung von Personalressourcen soll ein Leitfaden zur Frauenförderung entworfen werden«, sagt die Lehrbeauftragte Heike Wittmann. Darin will sie Fragen Rechnung tragen wie denen nach der nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, flexiblen Arbeitszeitmodellen und Karriereplanung.

Auch wird in die bestehenden Gesetze zur Gleichstellung von Mann und Frau eingeführt. Gisela Ludewig bezieht sich vor allem auf die Gesetzgebung auf Europa-Ebene. Seit 1975 gibt es beispielsweise Richtlinien, für deren mangelhafte Umsetzung die Bundesrepublik bereits mehrfach kritisiert worden sei. Auch neue Gesetze müßten entwickelt werden. »Es geht dabei gar nicht um Frauenförderung«, sagt die Juristin. »Wir müssen nicht gefördert werden, sondern vorhandene Barrieren müssen abgebaut werden.« In dem Zusammenhang seien Quotierungen nicht nur zulässig, sondern unter Umständen sogar geboten. »Der Studienschwerpunkt soll die teilnehmenden Frauen für die Probleme sensibilisieren, die sie im Beruf erwarten«, sagt Ingrid Pond, eine Studentin aus der Projektgruppe. Die TeilnehmerInnen sollen die in der Wirtschaft aktuellen Diskussionen schon an der Hochschule kennenlernen und ein Problembewußtsein für gesellschaftlich bedingte Benachteilugungen gewinnen. Auch belegten die Teilnehmerinnen an diesem Studienschwerpunkt damit einem potentiellen Arbeitgeber gegenüber, daß sie auf dem aktuellen Stand der Diskussion seien. »Oft werden gerade Frauen gesucht, die speziell auf die Führung von Frauen ausgerichtet sind, das ist eine Marktlücke«, weiß die Lehrbeauftragte Sonja Pinder. Corinna Raupach