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Havel ergreift Verfassungsinitiative

Der Präsident bittet die Bürger, den Politikern Dampf zu machen/ Mehr Rechte für den Präsidenten?  ■ Aus Prag Sabine Herre

Mit fünf Gesetzen möchte Staatspräsident Václav Havel einen Ausweg aus der Verfassungskrise des föderativen Staates der Tschechen und Slowaken finden. In einer am Sonntag abend vom Fernsehen übertragenen Rede übte der Präsident zugleich scharfe Kritik an den „nur ihren Parteien verpflichteten Politikern“. In diesen für den Erhalt des gemeinsamen Staates so wichtigen Monaten irrten sie „im Kreis herum“, würden zum „Gespött“ der Öffentlichkeit. Daher wende er sich nun direkt an die Bürger der CSFR. Um den Staat vor „Chaos“ zu bewahren, sollten sie energischer als bisher ihre Abgeordneten zur Einhaltung ihrer Wahlversprechen „drängen“.

Die von Havel vorgeschlagenen Gesetzesinitiativen werden in erster Linie seine eigenen Kompetenzen stärken. So soll nicht nur das Parlament, sondern auch der Präsident das Recht erhalten, ein Referendum anzusetzen. Ein Verfassungsgesetz soll festlegen, unter welchen Bedingungen er das Parlament auflösen, Neuwahlen ausschreiben und in der Form von Dekreten bis zu diesen Wahlen regieren darf.

In den anderen Gesetzesinitiativen beschrieb der Präsident den zukünftigen Aufbau der Gesetzgebungsorgane der tschechoslowakischen Föderation. Neben der aus nur noch einer Kammer bestehenden Föderalversammlung solle ein Föderalrat aus Vertretern der beiden Republiken geschaffen werden. Er soll Gesetze der Prager „Zentrale“ ablehnen und zu erneuten Beratungen an die Föderalversammlung zurückverweisen können.

Havels Appell an die „bürgerliche Verantwortung“ der Bevölkerung stieß vor allem bei den TschechInnen auf offene Ohren. Der Direkter der Technischen Hochschule Prag rief die StudentInnen zu einer Demonstration für den gemeinsamen Staat auf, in einigen Betrieben Böhmens wird beraten, wie die Forderungen des Präsidenten unterstützt werden könnten. Reaktionen gab es jedoch auch bereits von den höchsten politischen Repräsentanten der CSFR. Während die Gesetzentwürfe von den Ministerpräsidenten der tschechischen und tschechoslowakischen Republik, Petr Pithart und Marian Calfa, positiv aufgenommen wurden, reagierte der slowakische Premier Jan Carnogursky erwartungsgemäß zurückhaltender. Er werde sie „sorgfältig studieren“.

Das Ergebnis dieses „Studiums“ dürfte für die Annahme der Gesetze durch die Prager Förderalversammlung entscheidend sein. Denn nicht nur bei der Debatte über die Durchführung eines Referendums in der vergangenen Woche, sondern auch bei einer Reihe weiterer Verfassungsgesetze waren die Stimmen der slowakischen Parlamentsabgeordneten für die verabschiedete Version der Gesetze ausschlaggebend.

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