Kino-Supermärkte und Emma-Läden

■ Bundesweites Fachsymposium in Bremen zu Lage und Zukunftsaussichten kleiner und mittlerer Kinos und Filmverleiher

Zu einem bundesweiten Fachsymposium trafen sich Montag und Dienstag in Bremen VetretreterInnen von Programmkinos, Film-Verleiher, MitarbeiterInnen von Film- und Medienbüros, der Film-Förderungs-Anstalt, der Kommunalen Kinos. Es ging um Vertriebs- und Absatzmöglichkeiten von ambitionierten Filmen in Deutschland. Die taz sprach anschließend mit Moderator Dr. Detlef Roßmann, Besitzer des Oldenburger Programmkinos „Casablanca“ und Vorsitzender der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft (AG) Kino, die zusammen mit der „Interessengemeinschaft (IG) Verleih“ (bundesweiter Zusammenschluß von Filmkunst-Verleihern) und dem Filmbüro Bremen die Tagung organisierte.

taz: Was sind die dringendsten Sorgen der engagierten Programmkino-Betreiber und Film- Verleiher?

Detlef Roßmann: Die Entwicklung der Multiplexe hängt wie ein Damokles-Schwert über den unabhängigen Kinos und und Kleinverleihern. In Brüssel zum Beispiel besteht das „Kinepolis“ seit zwei Jahren, und alle alten Einzeltheaters im Einzugsbereich sind ruiniert, bis auf ein oder zwei Filmkunsttheater mit gewaltigen Besucherrückgängen.

Nach dem Kinosterben kamen die Schachtelkinos, jetzt kommen die Cinemaxxe als „Erlebnisraum“ mit tausenden von Plätzen.

Die Schachtelkinos waren eine unselige Entwicklung, insofern kann man als Kinofan die Multiplexe nur begrüßen, mit Komfort und großem Bild und Super-Ton!

Das setzt Sie in Zugzwang!

Natürlich! Das ist auch richtig so, wenn sich die Bedingung des Kinogehens, der Projektion wieder so verbessern, wie sich das eigentlich gehört! Solche Investitionen kann aber ein kleines Kino nicht aufbringen. Eine Tonanlage kostet 40.000 Mark, 1 Stuhl 300-400 Mark, bei 200 Plätzen also 80.000 Mark. Die Besucher finden das toll, aber mehr kommen deshalb auch nicht.

Das ist die Konkurrenz der Annehmlichkeiten. Haben die Programmkinos nicht auch ihr inhaltliches Standbein verloren? Ist die Zeit der sozialkritischen Filme nicht vorbei? Wenn früher „Rosa Luxemburg“ lief, rannten alle hin. Heute kommt niemand.

Ja. Die Programmkinos waren von der Aufbruchstimmung der Studentenbewegung beeinflußt. Das ist völlig vorbei. Für die Besucher heute sind wir ja Opas. Und: Hollywood macht heute viel bessere Filme, und natürlich gehen die Studenten heute sofort in „gefährliche Liebschaften“ — auch ins Kinocenter.

Völlig tot ist auch das Repertoire- Kino, die Reprisen alter Filme. Das ist vorbei durchs Fernsehen. Bei 8.000 Spielfilmen jährlich im Fernsehen geht keiner mehr spät in eine alten Film. Damit geht der ganze Schatz der Filmgeschichte verloren. Dafür müßte es Förderung geben, Ausfallgarantien, das ist eine kulturpolitische Aufgabe der Länder und Kommunen wie Theater oder Museum.

Sind Filmkunsttheater out?

Nein. Den „Mann der Friseuse“ schmiß das Cinemaxx nach 1 Woche raus, das ist ein Film für ein Einzelkino. Das ist wie mit Supermärkten oder kleinen Geschäften um die Ecke.

Wenn die sozialkritischen Szene- Filme nicht mehr so laufen und die Hollywood-Filme nicht an die Programm-Kinos verliehen werden, wie müßten die neuen deutschen Filme denn sein?

Ja, warum machen die Deutschen nicht so Filme wie „Time o the Gypsies“? Lief bei uns 8 Wochen. Wieso ist Finnland mit den Kaurismäkki-Brüdern ein wichtigeres Filmland geworden als Deutschland? Ich kann das Gejammer nicht mehr hören: Warum spielt ihr keine deutschen Filme? Kein CD-Händler, kein Buchladen kriegt nachgerechnet, wieviele deutsche Titel er führt!

Die klare Nische der Programmkinos ist weg. Und gegen die Hollywood-Reklame der Großen an Plakatwänden und sogar im Fernsehen für Kinofirme kommen Sie doch gar nicht an.

Ja! Der Kinomarkt selbst kann die Herausbringungskosten des Films ohne Lizenskosten schon jetzt nicht wieder einspielen bei Filmkunstverleihern, das muß über Lizenshandel, Fernsehrechte, Video-Verkäufe reinkommen...

Also durch durch Nebengeschäfte.

Ja. Früher hängte man in die Szeneläden ein paar Handzettel, das geht als Marketing nicht mehr. Relativ einfach ist es bei Filme wie Max Ernst, da kann man Galerien anschreiben, Kunstverein, gut, bei „Cyrano de Bergerac“ kann ich Französischlehrer anschreiben...

AG Kino und IG Verleih haben sich für die ersatzlose Streichung der bundesdeutschen Filmförderung ausgesprochen...

Ja: Wir engagierten Verleiher und Programmkinos haben nichts davon! Die letzten 20 Jahre der Filmförderung sind ein Beispiel, wie mit mehr Geld immer weniger Qualität herauskommt. Ein kleiner Verleiher gibt vielleicht Filme von Kaurismäkki heraus, er muß auch Filmabgaben zahlen, aber kriegt für ausländische Filme keine Förderung, Profiteur der Filmförderung ist nur das Fernsehen. Die Kinos bezahlen jährlich 15-18 Millionen Abgaben, das Fernsehen nur 8 Mio.! Wir Kinos zahlen die Filmabgabe und können alle paar Jahre ein Darlehen beantragen, das müssen wir aber auch zurückzahlen. Wenn ich das Geld, was ich abführe, in Festgeld anlegen würde, kann ich mir davon schon die neuen Stühle kaufen. Fragen: Susanne Paas