Gesundheitsversorgung wird magersüchtig

■ ÖTV: Sparmaßnahmen im Krankenhausbereich zu Lasten der Pflege und Genesung/ Privatisierung ohne Konzept

Berlin. Der Notstand in der ambulanten und stationären Pflege ist nach wie vor eklatant. Noch immer müssen Schwestern und Pfleger in Ost und West in erheblichem Maße Überstunden schieben und zu viele Aufgaben auch außerhalb des eigentlichen Pflegeberufes erledigen. Die Gesundheitsversorgung bleibe dabei auf der Strecke — so die Gewerkschaft ÖTV am Dienstag vor der Presse. Verantwortlich dafür sei die Politik des Senats, der es nicht geschafft habe, einen übergreifenden Gesundheitsplan für die zusammenwachsende Stadt zu entwickeln. Statt dessen werde ein Krankenhausrahmenplan vorgelegt, der die rigorose Streichung von 7.000 Betten vorsieht — ohne gleichzeitig eine adäquate ambulante Versorgung sicherzustellen. Bis auf zwölf sollen alle 50 Ostberliner Polikliniken geschlossen werden. Als Folge sieht die ÖTV die drohende Entlassung von 8.000 dort Beschäftigten bis zum Jahresende. Ingeborg Damnik, Personalrätin am Gesundheitszentrum Köpenick, befürchtet, daß allein in dieser ehemaligen Poliklinik mindestens ein Drittel der 626 Angestellten bis zum Ende des Jahres ihren Hut nehmen müssen. Durch sein Bestreben, mehr und mehr Krankenhäuser und ambulante Einrichtungen zu privatisieren, so die ÖTV, ziehe sich der Senat überdies aus der Verantwortung.

Daß die Sparvorgaben des Berliner Senats nicht spurlos an der Krankenversorgung vorbeigehen, zeigte die Gewerkschaft am Beispiel des Universitätsklinikums Steglitz. Bis September dieses Jahres hätten die Angestellten des Uni-Klinikums bereits 120.000 Überstunden geleistet, bis Oktober mußte die Innere Ambulanz wegen Überbelegung bereits fünfzehnmal gesperrt werden. Bereits in diesem Jahr habe das Klinikum 6,9 Millionen Mark einsparen müssen. Die Konsequenz: Jede freie Stelle wurde für drei Monate gesperrt und die Vertretungsmittel — insbesondere für Krankheits- und Mutterschaftsvertretung — erheblich gekürzt. Da im nächsten Jahr 4,3 Millionen Mark zusätzlich eingespart werden sollen, befürchte der Klinikumsvorstand, daß die poliklinischen Behandlungen um 25 Prozent gekürzt, die logopädische Lehranstalt aufgegeben und die Erste Hilfe auf einen Einschichtbetrieb reduziert werden müssen.

Unter den Sparmaßnahmen leide nicht zuletzt auch das Berliner Pflegepersonal. Chronische Unterbesetzung — allein in West-Berlin sind nach ÖTV-Angaben 20 Prozent der Stellen nicht besetzt — führe dazu, daß Pflegekräfte aus dem »Frei« geholt werden sowie Überstunden und Doppelschichten geleistet werden müssen. Für den 2. Dezember ruft die ÖTV deshalb im Rahmen einer Protestkundgebung um 17 Uhr vor dem Roten Rathaus dazu auf, gegen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und den Abbau sozialer Leistungen zu protestieren. maz